20 Jahre später

Aufbau einer inklusiven Behindertenbewegung für die Zukunft

von: André Nowak

 

Vom 13. bis 14. Mai tagte in Madrid die Generalversammlung des Europäischen Behindertenforums (EDF) in der spanischen Hauptstadt. Neben den Wahlen der EDF-Gremien standen die künftigen Aufgaben und der Bericht zur Arbeit im vergangenen Jahr im Mittelpunkt.

Bei den Wahlen wurde Yannis Vardakaskanis aus Griechenland als EDF-Präsident wiedergewählt. Stimmberechtigt waren aus Deutschland dabei Christian Bayerlein vom European Network on Independent Living (ENIL) sowie benannt vom Deutschen Behindertenrates (DBR) Hannelore Loskill (Vorsitzende der BAG Selbsthilfe und derzeit Sprecherin des DBR), Klaus Lachwitz (er wurde in den Geschäftsführenden Vorstand des EDF gewählt) und ABiD-Vorsitzender Ilja Seifert (Foto v.l.n.r.).

EUweit dominieren Abwehrkämpfe

Als sich das EDF vor 20 Jahren gründete, gehörte Ilja Seifert zu den Gründungsmitgliedern. Seine Meinung zur aktuellen Behindertenpolitik in Europa: „Nahezu überall in Europa muss gegen Verschlechterungen der sozialen Lage von Menschen mit Behinderungen gekämpft werden. Dabei würden wir viel lieber um Verbesserungen der Teilhabe-Bedingungen ringen. Sowohl die UN-Behindertenrechtskonvention als auch die Nachhaltigkeits-Kriterien der Agenda 2030 (SDGs) gäben uns eigentlich die entsprechenden Mittel in die Hand.“

Wirtschaft in die Pflicht nehmen

Neben einem „Manifest von Madrid“ wurde eine dringliche Resolution „Ein Binnenmarkt, der für alle funktioniert“ angenommen. Die Botschaft aus Madrid nach Brüssel: Wir brauchen keine Richtlinie, die durch die Interessen der Wirtschaft verwässert wird. Konservative und Liberale haben im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments den relativ guten Vorschlag der Europäischen Kommission zu Gunsten der Wirtschaft und zu Lasten der über 80 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU und deren Angehörigen stark geschwächt. Dagegen werden wir uns wehren!“

Der Vorschlag zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten zu den Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen ist aus Sicht des EDF für die 80 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU von großer Bedeutung und nützt allen Menschen. Der nun vorgelegte Berichtsentwurf widerspricht allen bisherigen Erklärungen des Europäischen Parlaments zur Europäischen Barrierefreiheit, insbesondere deren Entschließung zur UN-Behindertenkonvention am 7. Juli 2016.

EU für Marrakesch-Vertrag

Der dritte Beschluss betrifft die Umsetzung des Marrakesch-Vertrages innerhalb der Europäischen Union und mit Drittstaaten. Dabei geht es um das Übereinkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum, in dem die Produktion und der grenzüberschreitende Austausch von barrierefreier Literatur zugunsten blinder, sehbehinderter und lesebehinderter Menschen geregelt werden.

Europa ist größer als die EU

Ein Punkt in dem Arbeitsplan des EDF ist die weitere Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen aus europäischen Staaten, die nicht in der EU sind. Hierfür engagiert sich mit Blick auf die Behindertenorganisationen aus der ehemaligen Sowjetunion – auch im Auftrag des EDF – vor allem Ilja Seifert. Diese Organisationen wurden in Madrid durch den Vorsitzenden der Behindertenorganisationen aus Georgien, Giorgi Dzneladze, vertreten. Zu ersten Ideen, wie diese Zusammenarbeit ganz praktisch organisiert werden soll, konnten wir uns gemeinsam mit den wichtigsten Repräsentanten des EDF am Rande der Tagung verständigen.