Helmut und Margit Böhm sind mit Leib und Seele Sportler, er ist 85 und sie 72 Jahre alt. Im Juni betreuen sie auf dem Gelände des SC Siemensstadt einen Stand zum Kugelstoßen. Jung und Alt kommen, und Helmut erklärt, worauf zu achten ist. Denn das weiß er, seine sportliche Karriere begann in den 30iger Jahren im Zehnkampf. Er erzählt immer noch gerne davon. Wie er vom Zehnkampf in den Ausdauersport wechselte und sogar beim Marathon in New York startete. Heute profitiert das sportbegeisterte Publikum von seiner Erfahrung beim Punktesammeln für das Deutsche Sportabzeichen. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Margit. Er hat sie angesteckt mit seiner Sportbegeisterung. Bereits 30 Deutsche Sportabzeichen hat sie erkämpft. Heute will sie neben der Standbetreuung ihren 31. Orden holen.
Denn heute startet in Berlin die zwölfte bundesweite Tour für das Deutsche Sportabzeichen 2015. Der Deutsche Olympische Sportbund und die Landessportbünde führen jährlich Veranstaltungen durch, um für regelmäßige Bewegung und Sport zu werben. In den vier Disziplinen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination müssen Prüfungen bestanden werden, um das Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland in Gold, Silber oder Bronze tragen zu dürfen.
Traditionsgemäß wird auf der Eröffnungspressekonferenz die offizielle Bilanz des Deutschen Sportabzeichens aus dem Vorjahr verkündet. Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, Vizepräsidentin des DOSB hebt hervor, dass 2015 auf vier von neun Veranstaltungen der inklusive Gedanke im Vordergrund steht. Stolz wird auf ein 2014 entwickeltes Strategiekonzept verwiesen, dass einen Handlungsrahmen zum Inklusion im Sport bis 2018 abstecken soll. Die Sportabzeichen-Stopps mit Schwerpunkt Inklusion sind Teil eines auf drei Jahren angelegten Projektes des DOSB, das von der Aktion Mensch gefördert und gemeinsam mit dem Deutschen Behindertensportverband, Special Olympics Deutschland und dem Deutschen Gehörlosen-Sportverband durchgeführt wird. Der Landessportbund Berlin und der Berliner Behindertensportverbrand haben extra für diese Veranstaltung Prüfer geschult, um auch Menschen mit Behinderung die sportlichen Leistungen abnehmen zu können. Inklusive Zielsetzungen müssen konsequenterweise auch den „demografischen Wandel miteinbeziehen und verstärkt zum lebenslangen Sporttreiben anregen“ so Doll-Tepper. Dazu muss das Thema Behinderung natürlich auch bei Aus- und Weiterbildung von Trainern/innen und Übungsleitern/innen etabliert werden. Leider wurde die barrierefreie Gestaltung von Veranstaltungen oder Sportstätten nicht thematisiert.
Von Integration zur Inklusion
Während die Pressekonferenz drinnen ihrem Ende zugeht und theoretisiert wird, schwitzten draußen Sportler mit und ohne Behinderung gemeinsam. Ob beim Kugelstoßen mit dem Ehepaar Böhm oder beim inklusiven Klettern. Die Schwimmhalle bietet einen mobilen Lift für Rollstuhlfahrer und Bademeister Ralf Andree zeigt die barrierefreien Umkleideräume. Er berichtet, dass auch außerhalb der Veranstaltung des DOSB Menschen mit Behinderung gemeinsam mit anderen ins Wasser kommen und jede Unterstützung bekommen, die sie benötigen.
Bereits 2001, als Inklusion noch Integration hieß und die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland nicht diskutiert wurde, hat Helmut Böhm den Allgemeinen Sportverein in Mitte gegründet. Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Handicap haben seitdem viele Deutsche und Berlin-Brandenburgische-Meistertitel errungen. Der jährlich stattfindende Helmut-Böhm-Lauf ist eine Möglichkeit, sich an längeren Strecken auszuprobieren oder als Helfer zu betätigen. Neben den sportlichen Aspekten hebt er die soziale Vernetzung hervor, sich austauschen können oder einander verstehen lernen. Der Sport ist für alle ein Kampf gegen sich selbst. Bleibt zu fragen, welche theoretischen Anstrengungen nötig sind, um demnächst Inklusion nicht nur auf vier von neun Veranstaltungen des Deutschen Sportabzeichens mitzudenken?