Was ist los in der Arminius-Markthalle?
Hildrun Knuth: Die Arminius-Markthalle im Ortsteil Moabit gibt es seit 1891. Anfang 2010 wurde die Halle in private Nutzung übergeleitet. Der Berliner Großmarkt, in der Zuständigkeit des Senates von Berlin, übergab die Halle an die Zunft AG. Seitdem vollzog sich ein Wandel weg vom typischen Markthallenflair und hin zur Erlebnis-Gastronomie mit Wein- und Speisenvielfalt, mit Theater und vielen Angeboten abends und am Wochenende. Die Halle legte ihr „Schmuddel-Image“ ab und ist ein wichtiger, attraktiver und viel besuchter Standort in Moabit, weit über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt und bereits zweimal für den „event-location-award“ nominiert.
Wo ist nun das Problem?
Hildrun Knuth: Das Problem besteht darin, dass es in der Halle kein behindertengerechtes WC gibt. Und das halte nicht nur ich für eine Diskriminierung, sondern mit mir die Behindertenbeiratsmitglieder, die Seniorenvertretung, Bezirksverordnete, Mitglieder von Vereinen und Selbsthilfegruppen, wie z.B. InterAktiv e.V., SoVD e.V., BBV e.V. u.a. und vor allem Spontanzusammenschluss Mobilität . Es gibt Vorschriften für die Einrichtung von WC-Anlagen, auch für Behinderten-WC, warum wurden diese nicht angewendet? Gute Frage, die wir an diverse Verantwortungsebenen gestellt haben, unter anderem an die Senatsverwaltung, den Bezirk (Gewerbeamt, Bauaufsicht), in der AG Bauen und Verkehr barrierefrei (SenStadt). Es gab, initiiert von MdA Herrn Krüger, Anfragen des Abgeordnetenhauses, es gibt Drucksachen der BVV Mitte von Berlin, Ausschüsse hatten diesen Sachverhalt auf der Tagesordnung, Ortstermine fanden statt. Die Erklärungen reichen von Bestandsschutz über Denkmalschutz, von baulich nicht möglich bis zu 300.000€, die eine Einrichtung eines behindertengerechten WC kosten soll. Die Betreiber lehnen rigoros den Einbau ab. Am merkwürdigsten ist die Erklärung des Gewerbeaufsicht-Amtes, in der mitgeteilt wird, dass die Markthalle fast ausschließlich aus Einzelverkaufsständen mit Sitzplatzangeboten besteht, von denen die einzelnen Flächen unter 50qm liegen und somit für die einzelnen Angebote keine Einbauverpflichtung besteht. Es würde keine Nutzungsänderung erfolgen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten.
Wie das?
Hildrun Knuth: Die Hallenfläche umfasst mehrere hundert qm! Richtig, es ist unverständlich. Eine Theaterspielstätte in der Halle soll hier keine Nutzungsänderung darstellen, die Umwidmung eines Schlecker-Marktes in eine Gastronomie-Einrichtung ist hier keine Umnutzung, Veranstaltungen mit mehreren hundert Gästen, das alles erfüllt hier nicht den Sachverhalt Umnutzung. Zudem bezieht sich das Amt auf eine Stellungnahme von SenStadtUm aus dem Jahr 2001, in der das Fehlen eines Behinderten-WC bedauert, jedoch als hinnehmbar bezeichnet wird, da keine Einbaumöglichkeit gefunden wurde. Die Stellungnahme ist von 2001? Ist das noch realistisch? Nein, es ist nicht realistisch und nicht rechtens. Das Fehlen und das Verweigern von Vorkehrungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben gelten, lt. UN-BRK, als Diskriminierung. Die Belange und vor allem die Rechte von Menschen mit Behinderung wurden nicht berücksichtigt. Wie geht es weiter? Der Bezirksbürgermeister hat dem Rechtsamt den Sachverhalt zur Prüfung übergeben. Sobald der Bericht vorliegt, werden wir nochmals und immer wieder an die zuständigen Fachbereiche herantreten.
Ich bedanke mich auch namens der Mitglieder des Behindertenbeirates Mitte bei den Spontis, allen voran bei Frau Ender und Frau Lichtenberg sowie bei allen Beteiligten für die grandiose, mutige und notwendige Aktion in der Markthalle. Dies war ein wichtiges Zeichen! Der Verwaltungsweg scheiterte bisher auf allen Ebenen. Allseits wurde Bedauern ausgesprochen, aber keine rechtliche Handhabe aufgeführt bzw. veranlasst. Über die Arminius-Markthalle hinaus stellt sich die Frage nach weiteren Beispielen vorhandener Diskriminierung im privaten Bereich mit öffentlichem Zugang in Berlin!
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