Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung lehnen die Änderungsanträge aus den Ländern zur Schnittstelle von Leistungen der Teilhabe von Menschen mit Behinderung (Eingliederungshilfe) und der Pflege sowie zu den Verträgen zwischen den Leistungsträgern (Länder und Kommunen) und den Leistungserbringern der Eingliederungshilfe entschieden ab.
Seit Monaten kämpfen die Fachverbände für Menschen mit Behinderung für Verbesserungen in beiden Gesetzen. Sie unterstützen das Ziel der Bundesregierung, die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung zu stärken. Jetzt liegen im Entwurf jedoch zwei Gesetze vor, die zwar die öffentlichen Haushalte und die Kassen der Pflegeversicherung schonen, aber für Menschen mit Behinderung erhebliche Verschlechterungen zur Folge hätten.
Morgen beginnt das parlamentarische Verfahren: Das Bundesteilhabegesetz wird am 22. September und das Dritte Pflegestärkungsgesetz am 23. September im Bundestag in erster Lesung beraten. Ebenfalls am 23. September findet im Bundesrat die erste Befassung mit beiden Entwürfen statt. Beide Gesetze regeln sämtliche Leistungen für Menschen mit Behinderung neu. Alle Lebensbereiche sind davon betroffen: Wohnen, Arbeit, Freizeit, Schule, Kindergarten.
Wie kontrovers derzeit die Diskussion ist, wird auch daran deutlich, dass die Länder 126 Änderungsanträge zum Bundesteilhabegesetz und 53 Änderungsanträge zum Dritten Pflegestärkungsgesetz vorbereitet haben. Hierbei haben sie auch einige Forderungen der Behin- dertenverbände berücksichtigt.
Im Bundesrat ist eine gute Lösung in der Diskussion, um die bisher geltende Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, bei der Inanspruchnahme von Pflegeversicherungsleistungen aufzuheben. Auch Menschen mit Behinderung, die gemeinschaftlich leben, sollen künftig ihre Ansprüche aus der Pflegeversicherung ungekürzt geltend machen können und die Leistungen nicht auf eine Höhe von maximal 266 €/ Monat begrenzt bleiben. Eine unzureichende Lösung dieser Ungleichbehandlung wird auf erheblichen Protest bei den Menschen mit Behinderung, ihren Vertrauenspersonen und Verbänden stoßen und könnte zur Folge haben, dass immer mehr Menschen mit Behinderung auf Pflege verwiesen werden und ihre sozialen Teilhaberechte außer Acht geraten. Es drohten unendliche Rechtsstreitigkeiten.
Weder die Bundesregierung noch die Bundesländer haben derzeit ein überzeugendes Konzept, das die wichtige Frage des Zusammenspiels von Teilhabe- und Pflegeleistungen im Sinne der Men- schen mit Behinderung zufriedenstellend löst. Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung fordern Bundestag und Bundesrat auf, diese komplizierte Schnittstelle einfach und praxistauglich zu regeln. Dabei müssen die Leistungen der Eingliederungshilfe gleichrangig neben eventuell notwendigen Leistungen der Pflegeversicherung stehen, die ihrerseits in vollem Umfang für alle Versicherten zugänglich sein müssen.
Extrem irritiert sind die Fachverbände für Menschen mit Behinde- rung darüber, dass die partnerschaftliche Zusammenarbeit der
Dienste und Einrichtungen der Wohlfahrtspflege und der Sozialleistungsträger dadurch belastet wird, dass eine im Prozess der Gesetzesentwicklung erarbeitete Schlichtungsmöglichkeit nun von der Länderkammer abgelehnt werden soll. Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung fordern die Länder auf, die von der Bundesregierung vorgelegte Regelung, wonach Schiedsstellen auch für Streitigkeiten über den Abschluss von Leistungsvereinbarungen angerufen werden können, beizubehalten. Nur so kann erreicht werden, dass es zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern nicht zu Blockaden kommt, die erst in langwierigen Gerichtsverfahren behoben werden können. Solche Blockaden wirken sich negativ auf das Leistungsangebot und damit unmittelbar auf die Menschen mit Behinderung aus, denen dann nicht in angemesse- nen Zeiträumen die erforderlichen Unterstützungsangebote unterbreitet werden können.
Die Mitglieder von Bundestag und Bundesrat haben es jetzt in der Hand, diese sowie zahlreiche weitere erhebliche Mängel an Bundesteilhabegesetz und Drittem Pflegestärkungsgesetz zu beseitigen und dafür zu sorgen, dass sie für Menschen mit Behinderung zu guten Gesetzen werden. Beide Gesetze sind in der vorliegenden Fassung für die Fachverbände für Menschen mit Behinderung nicht akzeptabel. Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung haben hierzu eine umfangreiche Stellungnahme veröffentlicht.