Der Berlin Flaneur

Ein- und Aussichten im Bikini-Haus

von: Berliner Behindertenzeitung

bikini_1998173379Es ist der 10. November 1989. In der Nacht davor war die Berliner Mauergefallen. Auf dem gesamten Kurfürstendamm und dem Tauentzien sind überall fröhliche Menschen zu sehen, die sich ungläubig umschauen.
Einer davon bin ich.
Im meiner Geldbörse klimpern die „Alu-Chips“ – das DDR-Geld – neben der „harten Währung“ D-Mark. Ich hatte zwei Stunden zuvor mein „Begrüßungsgeld“ bekommen und fühlte mich reich. Ich blickte mich um, versuchte alles in mich aufzunehmen.
Am Breitscheidplatz zog mich das Europacenter an. Hier wollte ich schon immer einmal rein. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl bis ganz nach oben zur Aussichtsplattform unter dem Mercedesstern. Dort schaute ich mich um.
Erst in Richtung Ostberlin und auf der anderen Seite hinunter auf den Breitscheidplatz. Vor mir lagen rechts der Bahnhof Zoo, der Zoo-Palast und das lang gestreckte „Bikini-Haus“ an der Budapester Straße. In der Mitte die Gedächtniskirche und links davon konnte ich den Kurfürstendamm sehen.
Als ich dieses Panorama sah, wusste ich es. Es war kein Traum, ich war wirklich in „Westberlin“.
Seitdem bin ich sehr oft unter den Kolonnaden des Bikini-Hauses entlang gegangen. Mein Ziel war meist der „Wohlthat“-Buchladen, wo ich immer etwas fand, was ich eigentlich nicht brauchte.
Doch dann war Schluss, der Buchladen verschwand und das Haus wurde zu einer riesigen Baustelle wie das gesamte „Zentrum am Zoo“.
Das 1957 eröffnete „Bikini-Haus“ (Entwurf: Paul Schwebes und Hans Schoßberger) wurde vollständig entkernt und bekam ein neues Innenleben. Die Außenfassade blieb bestehen, da das gesamte „Zentrum am Zoo“ unter Denkmalschutz steht.
Von den Amerikanern mitfinanziert, wie es auf einer Gedenktafel zu lesen ist, sollte dieses, für die damalige Zeit futuristisch aussehende Haus, das neue Zentrum der Berliner Modeindustrie werden, welche von der DDR-Regierung von ihrem alten Stammplatz am Spittelmarkt vertrieben worden war.
Der Hingucker war das in der zweiten Etage befindliche „Luftgeschoss“, durch das man bis 1978 spazieren gehen konnte. Es trennte den öffentlichen Teil im Erd- und ersten Obergeschoss von den Produktionsstätten, die sich in der 3. – 5. Etage befanden. 700 Nähmaschinen ratterten hier um die Wette und stellten Damenoberbekleidung her.
bikini_2067784594Daher kam auch der Name „Bikini-Haus“, den die Berliner sehr schnell annahmen. Mit viel Fantasie glich dieser Bau, dem damals in Mode kommenden Bikini.
Der Berliner schmunzelte über die Namensgebung, er schwieg und dachte sich seinen Teil.
Das Haus wurde, wie das gesamte „Zentrum am Zoo“, ein Wahrzeichen der „Frontstadt Berlin“.
Die Modeindustrie zog aus und 1978 kam eine Kunsthalle dort hinein, wo einmal das „Luftgeschoss“ gewesen war. Im Laufe der Zeit wechselten auch die Läden. Die „guten“ Läden wurden immer weniger und in den 90-ziger Jahren durch Billigläden ersetzt. Das „Bikini-Haus“ verlor wie das gesamte Zentrum an Glanz und Glamour.
Dann der Umbau und die Neueröffnung. Das war vor gut einem Jahr. Doch das „Bikini-Haus“ ist kein 08/15- Shopping-Center, es ist eine so genannte „Concept Mall“. Hier finden Sie nicht die üblichen Marken wie in den anderen Einkaufstempeln, sondern innovative, teure und – nennen wir sie ruhig – hippe Läden. 60 Stück an der Zahl auf 17000 qm.
Darin liegt, nach meiner Meinung, auch die Schwäche dieser Mall, die relativ nüchtern und minimalistisch daherkommt. Irgendetwas fehlt dieser „Concept Mall“. Keine Ahnung was es ist.
Mir hat sie jedenfalls nicht so richtig gefallen.
Ganz schrecklich fand ich die Holzboutiquen, die sich im Erdgeschoß befinden. Diese „Holzkisten“, Pop-Up Stores genannt, sind temporäre Läden für kleine und junge Unternehmen. Meist sehr hipp, sehr teuer und sehr trendy. Irgendwie passen diese „Holzbuden“ nicht in das Bild des sonst sehr funktionalen Baus. Da diese zudem auf Podesten stehen, sind sie zudem nicht barrierefrei berollbar.
Der Minimalismus, der in den meisten Geschäften des „Bikini-Hauses“ vorherrscht, also große Verkaufsflächen mit wenigen Artikeln, hat auch seinen Vorteil. Besonders im 2. Stock. Dort sind die großen Fenster nicht mit Regalen zugestellt. So haben Sie einen wundervollen Blick auf den Breitscheidplatz. Links das „Europacenter“ und rechts der „Hohle Zahn“ der Gedächtniskirche mit dem „Eiermann-Bau“
Einmalig ist die 7000 qm große Dachterrasse zum Zoo hin. Hier entfaltet das erneuerte „Bikini-Haus“ seinen ganzen Flair. Die Terrasse hat was und sie dürfte bald in allen Reiseführern stehen, als ein Ort, den man in Berlin unbedingt besucht haben muss. Der Blick in den Berliner Zoo hinein ist wirklich schön.
Auch wenn mich das „Bikini-Haus“ nicht begeistert, ist es einen Besuch wert. Einst eines der Symbole von „Westberlin“, wird es nun das der neu erwachenden „City-West“ sein.
Na und wundern Sie sich nicht, wenn sie vom „Bikini-Haus“ auf den „Affenfelsen“ schauen. Die schauen nämlich zurück und fragen sich bestimmt, was das für seltsame Wesen sind, die da oben von der Terrasse, in ihr Wohnzimmer blicken.