Erfolg nach Protest

Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zahlt endlich seine Rechnungen 

von: Markus Leist & Dominik Peter

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Rechnungen für die Assistenz von Schwerbehinderten im Krankenhaus wurden von Verantwortlichen des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg über einen längeren Zeitraum nicht bezahlt. Bis der Protest erfolgte.

Weil die Verantwortlichen des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Rechnungen für die Assistenz von Schwerbehinderten im Krankenhaus über einen längeren Zeitraum nicht bezahlten, protestierten kürzlich etwa 50 Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen im Rathaus Friedrichshain-Kreuzberg. Mit dabei einer der Berliner Protagonisten: Matthias Vernaldi, der mit Megafon über die unfassbaren Zustände informiert.

Einer der großen Leidtragenden der ganzen Misere ist der Verein Ambulante Dienste e.V. „Ambulante Dienste e. V. lässt seine Kunden nicht im Stich: Notwendige Assistenz im Krankenhaus wird von uns in der Regel auch trotzdem – auch ohne stehende Gegenfinanzierung –  erbracht. Doch wir können nicht bis auf weiteres unbezahlt arbeiten“, begründete Ursula Aurien, Vorstand von Ambulante Dienste e.V., die Aktion. Ambulante Dienste wurde 1981 gegründet. Er unterstützt mit seinen rund 600 Mitarbeitern über 100 Menschen mit schweren Behinderungen in allen Bereichen des täglichen Lebens.

„Kunden mit einem hohen Hilfe- und Assistenzbedarf sollen demnach im Falle eines Krankenhausaufenthalts bis zu zwei Drittel der im Alltag bewilligten Unterstützung bekommen“, so Aurien. Diese Vereinbarung wurde Anfang 2016 mit dem damaligen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und der zuständigen Senatsverwaltung und Ambulante Dienste getroffen.

Bestimmte Bezirke halten bzw. hielten sich jedoch nicht an diese Vereinbarung. Schwerbehinderte, Assistenten und Unterstützer hatten daher im Rathaus Friedrichshain-Kreuzberg mir Erfolg protestiert. Denn am Tag nach dem Protest, tagte die Bezirksverordnetenversammlung und fasste nach einem Eilantrag einen einstimmigen Beschluss: Die Rechnungen für Friedrichshain-Kreuzberg sollen umgehend bezahlt werden. Auch Bezirksstadtrat Mildner-Spindler (Die Linke) – immerhin seit 2007 Bezirksstadtrat für Soziales – zeigte sich in dem Gespräch mit Assistenznehmern, Geschäftsführungen und anderen Organisationen schlussendlich einsichtig. „Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass es falsch war, die rechtliche Auseinandersetzung darüber so zu führen, dass die schwerbehinderten Menschen und deren Assistenten, denen das Land einen Leistungsanspruch zugesichert hat, in Mitleidenschaft geraten“. Dementsprechend sagte der der zuständige Bezirksstadtrat Mildner-Spindler die Bezahlung der offenen Rechnungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2016 für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu.

Pikanterweise sitzt Bezirksstadtrat Mildner-Spindler (Die Linke) als Vertreter für die Bezirke im neugeschaffenen Teilhabebeirat. Dieser Beirat soll die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Land Berlin begleiten. Man darf daher äusserst gespannt sein, wie der Bezirksstadrat in diesem Gremium agieren wird.

„Dies ist aber nur ein Teilerfolg“, erklärt Aurien, denn in den Bezirken Mitte, Spandau und Reinickendorf wird die Vereinbarung, die mit der zuständigen Senatsverwaltung beschlossen wurde, auch nach der Aktion „Besetzung des Rathaus“ nicht umsetzten.

Eines muss klar sein: Menschen mit einer Behinderung, die im alltäglichen Leben auf persönliche Assistenz unabdingbar angewiesen sind, benötigten diese Unterstützung auch dann, wenn sie im Krankenhaus sind. Für viele Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen ist eine Assistenz im Krankenhaus beispielsweise dann notwendig, wenn die Person wegen ihrer Behinderung nicht selbständig mit dem Pflegepersonal kommunizieren kann. Häufig würden sie von Menschen verstanden, die sie länger kennen und mit ihren Bedürfnissen vertraut seien, erklärt Aurien.

Da die Assistenz im Krankenhaus nur teilweise, finanziert würde, ist der Verein zunehmend auf Spenden angewiesen. “Helfen Sie uns, damit alle auf persönliche Assistenz angewiesenen Menschen ohne Angst ins Krankenhaus gehen können. Mit Ihrer Spende finanzieren wir ausschließlich Assistenz im Krankenhaus für Menschen mit Behinderung. Persönliche Assistenz ist ein Recht – erst recht im Krankenhaus“, so Aurien.

So können Sie Spenden: www.betterplace.org (Projektname „Assistenz im Krankenhaus = überlebenswichtig für Menschen mit Behinderung“).