
Berlins Senator Andreas Geisel (SPD); Foto: BBZ.
Am 9. Februar hat der Senat den Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bauordnung für Berlin (BauOBln) beschlossen. Der rund 200 Seiten umfassende Gesetzentwurf (Drucksache 17/2713) wurde am 18. Februar in erster Lesung im Abgeordnetenhaus beraten und wird nun in den Fachausschüssen diskutiert.
„Schnelles Bauen ist in einer wachsenden Stadt wie Berlin notwendig und deshalb müssen komplizierte und entbehrliche Vorschriften der Bauordnung auf den Prüfstand“ erklärt Senator Andreas Geisel (SPD). „Das geänderte Baurecht wird das Bauen in unserer Stadt erleichtern.“
Mit den neuen Regelungen soll die nachträgliche Errichtung von Aufzügen erleichtert werden, für bestimmte Tagespflegeeinrichtungen und Pflegewohngemeinschaften sollen künftig nur noch die Standardanforderungen der Bauordnung gelten.
Berlin wird laut Geisel auch barrierefreier: So muss künftig bei neuen Verkaufsstätten mit mehr als 300 m² Verkaufsfläche ein behindertengerechtes WC eingebaut werden. Bei der Neuerrichtung von Wohngebäuden mit Aufzügen soll bis Ende 2019 ein Drittel der Wohnungen, ab Anfang 2020 die Hälfte der Wohnungen barrierefrei hergestellt werden. Auch Abstellräume für Rollstühle, Kinderwagen und Fahrräder müssen künftig barrierefrei sein.
Bauen am Bedarf vorbei
Das klingt erst einmal gut, heißt aber auch, dass in den kommenden 4 Jahren zwei Drittel und ab 2020 die Hälfte der neugebauten Wohnungen in diesen Wohngebäuden weiterhin mit Barrieren gebaut werden dürfen und der nicht geringe Teil an Einfamilienhäusern und kleineren Wohngebäuden ist hier überhaupt nicht berücksichtigt. Die Forderung des Berliner Behindertenverbandes, angesichts des großen Mangels an barrierefreien Wohnungen im Bestand und der UN-Behindertenrechtskonvention konnte sich nicht durchsetzen.
Dabei müssten spätestens mit der Antwort des Senates auf die Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (DIE LINKE), Drucksache 17/17623, die Alarmglocken auch beim zuständigen Senator Geisel klingeln. Leider hatte er im vergangenen Jahr keine Zeit für eine Diskussion mit dem Berliner Behindertenverband. Der Senat weiß laut dieser Antwort nicht, wie viele Wohnungen sowie öffentlich zugängliche Gebäude in Berlin barrierefrei sind. Von den rund 122.000 Berliner Sozialmietwohnungen sollen knapp 1,2 Prozent barrierefrei und 4,1 Prozent „barrierearm“ sein, was auch immer das heißen mag. Nicht viel besser sieht es bei den Wohnungen der Berliner Wohnungsgesellschaften aus. Auch auf die Frage nach dem Bedarf an barrierefreien Wohnungen antwortete Geisels Staatssekretär Christian Gaebler, dass dem Senat dazu keine Informationen vorliegen!
Senat beschließt PsychKG
Am 26. Januar beschloss der Senat den Gesetzentwurf über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG). Der Gesetzentwurf (Drucksache 17/2696) wurde am 18. Februar im Abgeordnetenhaus beraten und nun in den Fachausschüssen diskutiert.
Neuerungen und Anpassungen des PsychoKG wurden durch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts von 2011 (!) notwendig. So setzte das Bundesverfassungsgericht der Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen wesentlich engere Grenzen und wertete die Zwangsmedikation als schwerwiegenden Eingriff in das Recht der körperlichen Unversehrtheit.
Das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten soll das Gesetz für psychisch Kranke vom 8. März 1985 unter erheblicher Erweiterung des Regelungsumfanges und Aufnahme grundlegender neuer Vorschriften ablösen.
Im Gesetzentwurf werden laut Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes erfüllt sowie die Vorgaben internationaler Abkommen (gemeint ist hier die UN-Behindertenrechtskonvention) in Landesrecht umgesetzt.
Koalition in der Opposition
Einen gemeinsamen Antrag zur Unterstützung und Teilhabe für Menschen mit komplexen Unterstützungsbedarf brachten mit den Piraten den LINKEN und Bündnis 90/Die Grünen gleich drei Oppositionsfraktionen ins Berliner Abgeordnetenhaus ein (Drucksache 17/17/2715). Sie sehen mit der weiteren Anpassung der Betreuungszeiten und Wohnheim-Vergütungen zum 1. Januar 2016 eine zunehmende unakzeptable Benachteiligung von Menschen mit hohem und komplexem Unterstützungsbedarf.
Nahles sieht Erfolgsstrategien
„Ich möchte, dass selbstverständlich wird, dass Barrieren in den Köpfen fallen und dass wir überall zu einer Unternehmenskultur kommen, in der Vielfalt als Gewinn anerkannt wird. Dazu brauchen wir mehr Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen eine Chance geben“, betonte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zu Beginn eines Dialogtreffens, zu dem sie am 19. Januar gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Arbeitgeber und Akteure der beruflichen Inklusion einlud, um Erfolgsstrategien für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu diskutieren.
LINKE sieht Diskriminierungen
Kritisch äußern sich dagegen die Bundestagsabgeordneten Azize Tank aus Berlin und die behindertenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katrin Werner, zu der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage mit dem Titel „Soziale Menschenrechte von Menschen mit Behinderung und Diskriminierungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt“ (Drucksache 18/7467).
Sie werfen der Bundesregierung vor, Empfehlungen des UN-Ausschusses zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu missachten. Danach muss Menschen mit Beeinträchtigung in Deutschland der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnet und bestehende Diskriminierungen bei der Eingliederung abgeschafft werden. Die Bundesregierung weigert sich, die Schlussfolgerungen des Ausschusses infolge der ersten Individual-Beschwerde im Fall Gröninger vs. Deutschland anzuerkennen und sieht „keinen Bedarf für strukturelle Änderungen“ der Gesetze und Rechtspraxis. Die UN-Behindertenrechtskonvention spricht dabei eine klare Sprache.
Katrin Werner: „Die Bundesregierung stützt sich weiterhin auf Initiativen, Programme und Prüfungen anstatt grundlegend strukturelle Änderungen hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt vorzunehmen. Dafür werden langfristige und verlässliche Förderungen benötigt. Leider verteidigt die Bundesregierung ihre zu kurz gedachte Förderpolitik.“
Am 15. Februar fand zu diesem Thema auch eine einstündige (!) öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag der LINKEN „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen“ (Drucksache 18/5227) statt. Immerhin: Je sieben Minuten standen den beiden Oppositionsfraktionen an Zeit für Fragen an die sachverständigen und deren Antworten zu.
