Der Berliner Senat will sich für die Olympischen Spiele bewerben. Wie die Berlinerinnen und Berliner dazu stehen, hat er bislang nicht erfragt. Im Berliner Abgeordnetenhaus findet die Linke als einzige Fraktion die Olympiabewerbung falsch. Hier argumentieren wir, warum Berlin Olympia nicht braucht.
Braucht Berlin Olympische Spiele? Was kosten Olympische Spiele?
Sind bescheidene und nachhaltige Spiele überhaupt möglich? Nutzen Olympische Spiele dem Berliner Sport? Wer profitiert von Olympischen Spielen? Was wollen die Berlinerinnen und Berliner?
Braucht Berlin Olympische Spiele?
Mit Olympia verbindet der Senat viele Versprechungen: Imagegewinn, Investitionsschub für die Verkehrsinfrastruktur, Stärkung des Wirtschaftsstandortes, Tourismusboom. Doch braucht Berlin das überhaupt? Berlin ist eine wachsende Stadt und längst selbst zur Marke geworden, die immer mehr Menschen anzieht und in vielerlei Hinsicht attraktiv ist. Das stellt die Stadt vor große Herausforderungen, denn gleichzeitig nimmt die soziale Spaltung zu. Berlin braucht mehr bezahlbaren Wohnraum, intakte Schulen und Sportstätten, eine funktionierende S-Bahn und mehr Personal im Öffentlichen Dienst. Hier muss umgehend investiert werden. Doch der Senat fährt die Stadt auf Verschleiß, obwohl Steuermehreinnahmen und der Konsolidierungskurs der vergangen Jahre dazu geführt haben, dass Berlin endlich wieder Haushaltsüberschüsse erzielt und investiert werden könnte. Stattdessen will der rot-schwarze Senat ein neues Haushaltsrisiko eingehen und Investitionen einseitig an Olympia ausrichten. Die Linksfraktion fordert dagegen, dass in die soziale Infrastruktur der Stadt investiert wird.
Was kosten Olympische Spiele?
Olympische Spiele sind ein finanzielles Risiko in Milliardenhöhe. Laut Aussage des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit wird allein die Bewerbung rund 60 Millionen Euro kosten. Falls das IOC einer anderen Stadt den Zuschlag erteilt, ist dieses Geld verzockt. Falls Berlin jedoch den Zuschlag erhält, so musste Wowereit im Abgeordnetenhaus bereits einräumen, werde das die Stadt Milliarden kosten. Diese Mittel sind dann auf Jahre fest für Olympia verplant, obwohl sie an anderen Stellen viel dringender benötigt würden. Wie viel die Olympischen Spiele tatsächlich kosten werden, ist ungewiss. Die Spiele in Sotschi haben zirka 40 Milliarden Euro gekostet. In London ging man bei der Bewerbung von 2,9 Milliarden allein für den Neu- und Ausbau der Sportstätten aus, tatsächlich wurde mehr als das Vierfache dafür ausgegeben. Weitere Infrastrukturmaßnahmen gingen mit zirka 11 Milliarden zusätzlich in die Schlussrechnung ein, deren Hauptteil in jedem Falle der Steuerzahler trägt. (Vgl. Haaß, Wolfgang: Die Profiteure der Ringe. In: Die Bank. Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis. Online abrufbar)
Sind bescheidene und nachhaltige Spiele überhaupt möglich?
Der Senat wirbt für »bescheidene« Olympische Spiele: Viele Sportanlagen seien bereits vorhanden, Neubau deshalb nur begrenzt nötig. Bauexperten geben Sportbauten eine Halbwertszeit von maximal 25 Jahren. So erfüllt Die 1999 errichtete Schwimm- und Sprunghalle in der Landsberger Allee (SSE) nur mit Ausnahmegenehmigung die Anforderungen für die Schwimm-EM 2014, olympiatauglich ist sie nicht. Umfassende Sanierungen und Neubauten, auch temporär errichtet, wären notwendig. Was passiert damit nach Olympia? Folgekosten für Erhalt, Bewirtschaftung, Nachnutzung und Rückbau stehen selten auf der Rechnung. Nachhaltig ist der mit Olympia verbundene gigantische Aufwand sowieso nicht. Letztlich entscheidet das IOC und nicht die Ausrichterstadt. Das bekam erst kürzlich Tokio zu spüren. Als Gastgeber der olympischen Sommerspiele 2022 wollte die Stadt eine Kostenkontrolle und mögliche Umplanungen wegen der Kostensteigerungen. Das IOC lehnte dies ab und pochte auf sein Vetorecht.
Nutzen Olympische Spiele dem Berliner Sport?
Viele Berlinerinnen und Berliner sind sportbegeistert. Die Stadt hat mehrfach bewiesen, dass sie sportliche Großereignisse organisieren kann und ein großartiger Gastgeber für internationale Sportwettkämpfe ist. Das findet die Linksfraktion gut. Doch ob eine Stadt sechs WM-Spiele austrägt oder Olympische Spiele, das macht schon einen erheblichen Unterschied. Olympia hat eine andere Dimension. Berlin braucht aber keine überdimensionierten Großsportanlagen, sondern muss den Investitionsstau bei den Sportanlagen in den Bezirken beseitigen und über den Bau von multifunktionalen und barrierefreien Sportstätten entscheiden. In einer Stadt, in der Sportunterricht ausfällt, weil Schulsporthallen fehlen oder diese geschlossen werden, weil sie zu marode sind und in der über den Abriss von Schwimmhallen diskutiert wird, weil deren Sanierung sich nicht lohnt, müssen Prioritäten für den Schul- und Vereinssport, den Breiten- und Freizeitsport gesetzt werden. Der Senat hat dem Berliner Sport einen Solidarpakt versprochen und dieses Versprechen bis heute nicht gehalten. Wir unterstreichen: Erst die Pflicht und dann die Kür.
Wer profitiert von Olympischen Spielen?
Das IOC behauptet, Ausrichterstädte hätten seit Barcelona 1992 stets Gewinn gemacht. Möglich wird das durch Intransparenz über die wirklichen Kosten. Das IOC unterscheidet zwischen einem Durchführungsbudget und Infrastrukturbudgets. Das Durchführungsbudget umfasst nur die Einnahmen und Ausgaben der Spiele von der Eröffnungs- bis zur Schlussfeier. Nur hier fließt Geld vom IOC. Nur an den hier entstehenden Überschüssen werden die Ausrichterstädte beteiligt. Die Kosten für die im Vorfeld notwendigen Investitionen, wie dem Ausbau der Sportstätten, werden nicht in die Rechnung einbezogen. Dafür bezahlen die Steuerzahler, während die Gewinne in private Taschen fließen. Man muss wissen: Das IOC als Vertragspartner ist kein gemeinnütziger Verein, sondern ein auf Gewinnmaximierung gerichtetes Unternehmen. »Olympia« gilt als eine der wertvollsten Marken in der Welt und das lässt sich das IOC teuer bezahlen. Es beansprucht Sonderrechte, die vertraglich durch die Ausrichterstädte garantiert werden müssen (Host-City-Contracts). Das IOC fordert von den Ausrichterstädten unter anderem Steuerfreiheit und die Gesamtschuldnerische Haftung. Das finanzielle Risiko liegt also bei der Stadt, nicht beim IOC. Und weil das so ist, hat das IOC zunehmend Probleme, überhaupt Ausrichterstädte zu finden. Wer auf die Reformwilligkeit des IOC setzt, wird enttäuscht werden, dazu lässt sich zu gut an »Olympia« verdienen.
Was wollen die Berlinerinnen und Berliner?
Das Agieren des Berliner Senats zeigt, dass er an einer echten Bürgerbeteiligung der Berlinerinnen und Berliner nicht ernsthaft interessiert ist. Er hat sich bereits am 24. Juni 2014 für die Olympiabewerbung entschieden, ohne Parlament und Bevölkerung zu fragen. Sich mit dem Thema im Parlament zu befassen, musste von der Opposition geradezu erzwungen werden. Die eilig angeschobenen Diskussionen um mehr Mitbestimmung bei politischen Entscheidungen sind Scheindebatten. Eine Bürgerbefragung ist in der Berliner Verfassung bisher nicht vorgesehen. Eine Verfassungsänderung wäre aber ein ernsthafter und langwieriger Prozess, der am Ende eine Zweidrittel Mehrheit im Parlament und einen Volksentscheid braucht. Einer Verfassungsänderung, die darauf hinausläuft, dass sich der Senat ein bereits laufendes Projekt von den Bürgerinnen und Bürgern nachträglich legitimieren lässt, werden wir nicht zustimmen können.
Quelle: http://www.linksfraktion-berlin.de/politik/themen/nolympia/fuer_berlin_gegen_olympia/
