Für eine Verwaltung, die nicht behindert

von: Berliner Behindertenzeitung

1306_Portraitfoto SenBehB S. Lang Kopie

Sargon Lang.

Der Stadtbezirk Spandau hat einen neuen Beauftragten für Senioren und Menschen mit Behinderung. Er heißt Sargon Lang, ist 42 Jahre alt. Von Beruf ist er Sozialarbeiter und Diakon und hat berufsbegleitend Sozialmanagement studiert. BBZ Reporterin Antje Szardning sprach mit ihm über das neue Amt.

  • Was veranlasst Sie, das Amt des Spandauer Beauftragten für Menschen mit Behinderung auszuüben d.h warum haben Sie sich beworben? Können Sie sich kurz vorstellen?

Mein Name ist Sargon Lang, ich bin 42 Jahre alt und von Beruf Sozialarbeiter und Diakon. Berufsbegleitend habe ich Sozialmanagement studiert. Zusammen mit meiner Frau und unserer gemeinsamen kleinen Tochter lebe ich in Nieder Neuendorf – direkt vor den Toren Spandaus.

In meinem bisherigen Berufsleben durfte ich vielfältige Erfahrungen in der Arbeit mit Seniorinnen und Senioren sowie mit Menschen mit Beeinträchtigungen sammeln: Meinen Zivildienst habe ich in einem geriatrischen Krankenhaus geleistet und während meiner Ausbildung immer wieder in verschiedenen teilstationären und stationären Pflegeeinrichtungen gearbeitet. In der jüngeren Vergangenheit habe ich dazu beigetragen einen konventionellen Hotelbetrieb in ein Integrationsprojekt zu überführen. Hier arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in einem paritätischen Verhältnis und erhalten gleichermaßen Tarifgehalt. Ferner war ich Leiter eines stationären Wohnbereichs für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Zuletzt hatte ich die Verantwortung für ein sozialpsychiatrisches Tageszentrum mit über 200 regelmäßigen Besucherinnen und Besuchern.

Mit dem neuen Amt als Beauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderung verbinde ich die Hoffnung, mich auf Bezirksebene wirksamer für die Interessen der von mir vertretenen Personengruppen einsetzen und zu gleichberechtigten Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung beitragen zu können.

  • Sie sind Ansprechpartner für SeniorInnen und Menschen mit Behinderung – u.a. für  die Selbsthilfegruppen, Vereine, Projekte und freien Träger – da ist doch eigentlich eine  Vollzeitstelle zu wenig. Wie schaffen Sie die Arbeit, dass sie effektiv bleibt?

Glücklicherweise steht mir ein sehr erfahrenes Sekretariat zur Seite. Dennoch ist die Vielzahl der Aufgaben in 40 Wochenstunden kaum zu bewältigen. Das ist okay für mich. Ich habe schon immer gern gearbeitet.

Ein Großteil meiner Tätigkeit besteht im Übrigen darin, Stellungnahmen zu Bauvorhaben abzugeben. Wenn z. B. im Bezirk ein Gehweg neu angelegt oder ein Geschäft umgebaut wird, prüfe ich, ob die besonderen Mobilitätsbedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigung ausreichend berücksichtigt sind. Die Entscheidung liegt jedoch nicht bei mir, sondern beim Bauamt.

  • Auf Ihrer offiziellen Internetseite werden Hinweise für viele wichtige Informationen gegeben, z.B. zum Verkehrsprojekt „Shared Space“ d.h. Begegnungszone. Welche Themen sind aktuell besonders wichtig?

Um ehrlich zu sein: Aufgrund des Arbeitsaufkommens bin ich bisher nicht dazu gekommen, die Seite selbst zu gestalten. „Shared Space“ sehe ich allerdings ähnlich kritisch wie mein Vorgänger: Mischverkehrsbereiche sind für besonders schutzbedürftige Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer problematisch und daher getrennte Verkehrsbereiche grundsätzlich vorzuziehen. Die mangelnde Abgrenzung und Kennzeichnung der Flächen sowie die Notwendigkeit erhöhter visueller Aufmerksamkeit in Mischverkehrsbereichen benachteiligen vor allem Menschen mit Sehbeeinträchtigungen sowie Kinder und setzen sie erhöhten Unfallgefahren aus.

Aktuell beschäftigt mich stark die Unterversorgung älterer und beeinträchtigter Geflüchteter in Sammelunterkünften: ob Behandlungspflege, ambulante Pflege, Versorgung mit Hilfsmitteln oder Therapien – es mangelt an nahezu allem. Zusammen mit einem Träger interkultureller Hilfsangebote entwickele ich gerade Strukturen, damit Bedürftige die notwendigen Hilfen erhalten.

  • Erläutern Sie doch bitte in wenigen Worten Ihr „tolles“ Projekt „Spandau inklusiv“- was ja wohl einmalig ist in Berlin o. sogar Deutschland (?) – speziell den bisherigen Verlauf, den konkreten Zyklus und erreichte Ergebnisse. 

Unter dem Motto „spandau inklusiv“ arbeiten das Bezirksamt Spandau und die Evangelisches Johannesstift Behindertenhilfe gGmbH seit 2014 an der administrativen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention oder anders gesagt: für eine Verwaltung, die nicht behindert.

Speziell geschulte Mitarbeitende aus allen Abteilungen des Bezirksamtes – sogenannte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren – erstellen jährliche Aktionspläne mit konkreten Einzelmaßnahmen und überprüfen sie zweimal im Jahr.

Zu diesen Maßnahmen gehören u. a. der Abbau von baulichen Barrieren in Verwaltungsgebäuden, barrierefreie Bildungsangebote für jedefrau und jedermann, die Entwicklung von Orientierungs- und Leitsystemen, sprachliche Vereinfachung von Formularen und vieles mehr.

Dieses Jahr sind es fast 100 Maßnahmen – so viel wie nie zuvor. Schwerpunkt im aktuellen Aktionszeitraum ist es, mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen zu schaffen, um Barrieren gar nicht erst entstehen zu lassen.

Den Projektbericht 2015 und den Aktionsplan 2016 stellen wir interessierte Leserinnen und Leser der Berliner Behindertenzeitung auf Nachfrage gern zur Verfügung. Selbstverständlich setzen sich alle Bezirke für mehr Inklusion ein. spandau inklusiv ist mit seinem umfassenden Ansatz dennoch etwas Besonderes und über Berlin hinaus einzigartig.

  • Eine Frage noch zum Spandauer Behindertenbeirat, wo Sie als Bezirksamtsverteter Mitglied sind: Gibt es dort häufige Gäste bei den Sitzungen und evtl. welche?

Im vergangenen halben Jahr musste sich der Beirat für Menschen mit Behinderung in Spandau ein wenig „neu erfinden“: Langjährige Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben aus persönlichen Gründen aufgehört. Inzwischen konnten neue Mitglieder gewonnen und der Beirat von 14 auf 18 Mitglieder erweitert werden. Auch ein neuer Vorsitzender wurde gewählt. Jetzt sind wir wieder gut aufgestellt und können uns vorrangig inhaltlichen Themen widmen.

Gäste sind bei uns immer willkommen: sei es, dass sie erwägen, bei uns zu mitzuwirken oder ein behindertenpolitisch wichtiges Thema in den Beirat einbringen. Gern laden wir Menschen ein, um gemeinsame Projekte zu planen. Mit dem Koordinator eines großen Förderprojekts zur Städteentwicklung unternehmen wir in Kürze einen Arbeitsspaziergang zur Erhebung von Barrieren in der Spandauer Altstadt. Bei der Umsetzung des Förderprogramms können diese Barrieren dann beseitigt werden.