
Rony Wirth arbeitet seit sieben Jahren in der Tischlerei der U.S.E. in der Wassersportallee in Berlin Grünau.
Rony Wirth fragt, ob er uns in die Kamera hinein eine Tischmontage zeigen kann. Es ist ein kleiner Beistelltisch, der schon vorgefertigt wurde und den er – nicht ganz ohne Stolz – vor der Kamera aufbaut. Und wie das beim Film so üblich ist, muss er das zwei, drei, viermal hintereinander tun. Er macht es gern, er hat sich freiwillig für diese Dreharbeiten gemeldet und zeigt den Filmleuten gern, was er kann.
Rony Wirth ist ein typisches Beispiel für die Werkstättenmitarbeiter, die das Team um Nicole Driebe herum in diesen Tagen kennenlernt. Seit sieben Jahren arbeitet er bereits in der Werkstatt für behinderte Menschen der Union Sozialer Einrichtungen gGmbH (U.S.E.). Irgendwann wurde bei ihm eine psychische Beeinträchtigung diagnostiziert. Es folgte der übliche Weg über stationäre und teilstationäre Behandlung. Zur Reha wurde ihm empfohlen, in eine Werkstatt für behinderte Menschen zu gehen. Nur für eine absehbare Zeit, bis er wieder für den ersten Arbeitsmarkt fit wäre. Rony hat sich inzwischen bereits zweimal auf diesem harten Arbeitsmarkt gewagt und beide Male hat er verloren. Zu groß war der Druck, zu gering das Verständnis der Kollegen für seine Beeinträchtigung. Dass diese beiden Ausflüge nicht in einem Disaster endeten, liegt möglicherweise auch daran, dass er wusste, es gibt eine Rückzugsmöglichkeit in die Werkstatt. Es war immer ein Sicherheitsnetz aufgespannt. Inzwischen ist er in der Werkstatt angekommen, er fühlt sich wohl.
Die Diskussionen zu diesem Thema sind diametral entgegen gesetzt. „Schluss mit den Sonderwelten“ titelte erst unlängst eine Veranstaltung der Grünen Bundestagsfraktion. Auf den Einwand eines Teilnehmers dieser Fachtagung, die Werkstättenmitarbeiter fühlten sich doch wohl in ihren Einrichtungen, wurde ihm entgegengehalten: „Das wurde den Leuten so in den Mund gelegt. Ganz klar, dass sie so antworten“. Regisseurin Nicole Driebe kann das wohl nicht so bestätigen. Sie hatte vor diesem Film keine Kontakte oder Berührungspunkte zu einer Werkstatt. Aus dieser distanzierten Haltung stellte sie ihre Fragen und bekam die im Film zu sehenden Antworten. Die Protagonisten wurden gecastet, auf den Aufruf, über ihr Leben in einem Filmprojekt zu sprechen, auch über ihre Defizite und Einstellungen, meldeten sich zu viele Mitarbeiter dieser Werkstatt.
Acht von ihnen fanden den Weg in den Film und beantworteten Nicole Driebes Fragen. Und die waren teilweise sehr persönlich. Zum Beispiel Christian, der erzählt, dass eine Werkstatt für behinderte Menschen für ihn das Ende der Welt bedeutete. Nachdem er dennoch den Versuch gewagt hat und jetzt seit einigen Jahren dort arbeitet, möchte er nirgends anders arbeiten. Diese Arbeit kann er, hier wird er geachtet und hier möchte er sein. Seine Freundin versteht das nicht so richtig, aber das ist ihm egal.
Ist der Film eine Liebeserklärung an die Werkstatt für behinderte Menschen? Wohl eher nicht. Er erklärt vielmehr, warum sich Menschen in dieser Einrichtung wohlfühlen, obwohl sie nicht so viel verdienen, wie ihre Kollegen auf dem ersten Arbeitsmarkt und sie ständig das Stigma mit sich herumtragen, Mitarbeiter einer Werkstatt für behinderte Menschen zu sein.
Der Film ist als Medienprojekt entstanden. Im gesamten Produktionsprozess waren Mitarbeiter der Werkstatt als Kameramänner, Assistentinnen, Beleuchter und Tonassistenten beteiligt. Die Filmemacher waren begeistert von der tatkräftigen Unterstützung der behinderten Menschen und diese wiederum haben sehr viel Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erworben.
Der Film wird auf der Internetseite von inclusio medien e.V. www.inclusio.tv zu sehen sein.