Inklusion gewinnt, wenn Firmen das Potenzial ­erkennen

Der Verein Life e. V. stellt in einer Broschüre fünf Beispiele gelungener betrieblicher Inklusion vor

von: Markus Leist

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Nach wie vor ist die Arbeitslosenquote bei Menschen mit einer Behinderung doppelt so hoch als bei den übrigen Erwerbsfähigen. Der in Tempelhof-Schöneberg beheimatete Verein Life e. V. untersuchte Möglichkeiten einer betrieb­lichen Inklusion und stellte fünf erfolgreiche Beispiele in einer Broschüre vor.

Es scheint ein Anachronismus der Gesellschaft zu sein: Einerseits klagen große und kleine Wirtschaftsunternehmen über einen eklatanten Mangel an Fachkräften, andererseits liegt soviel „Human Potential“, also menschliche Weisheit, fachspezifisches Wissen und Kreativität auf der Straße. Warum wird es nicht genutzt? Die Antwort ist zu einfach um wahr zu sein: Es sind Fachkräfte mit Einschränkungen. Firmen, die händeringend Arbeitskräfte suchen, fürchten einen unangemessenen Aufwand, wenn sie einen Menschen mit einer Behinderung einstellen. Oder sie meinen, bei Nichteignung wird man einen behinderten Menschen nicht wieder los.

Unwissenheit durch positive Beispiele entkräften

Man könnte wie ein Messias von Firma zu Firma ziehen und erklären, wie man wolle. Es würde immer eine ungläubige Geschäftsführung zurückbleiben.

Deshalb dachten sich die Verantwortlichen des Vereins Life e. V., besser wäre, mit guten und gelungenen Beispielen zu überzeugen.

Der Verein bemüht sich seit seiner Gründung im Jahr 1988 unter anderem um Berufsorientierung und den Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt.

Folgerichtig erarbeiteten die Mitarbeiter eine Broschüre, in der sie fünf im Stadtbezirk ansässigen Firmen zu Wort kommen lassen. Es sind die Karstadt Warenhaus GmbH, das Satz-Rechen-Zentrum Berlin (SRZ), die Heldenwerbung GmbH, das Familienunternehmen BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG sowie IBM Deutschland GmbH:

Karstadt mit eigenem Eingliederungsmanagement

In der Karstadt-Filiale Tempelhof beispielsweise haben von 100 Mitarbeitern 16 eine anerkannte Schwerbehinderung. Das ist immerhin eine stolze Quote von 16 Prozent, mindestens fünf Prozent wünscht sich der Gesetzgeber. Nicht alle dieser 16 behinderten Mitarbeiter wurden bereits als behinderte Menschen eingestellt, bei etlichen hat sich die gesundheitliche und körperliche Einschränkung im Laufe ihrer Betriebszugehörigkeit ergeben. Es gibt ein betriebliches Eingliederungsmanagement, welches auf die Gepflogenheiten eines Warenhaus-Betriebes angepasst wurde.

Inklusion ins Arbeitsleben baut Vorurteile ab

Im SRZ arbeiten dagegen 55 Mitarbeiter, vier davon haben unterschiedliche körperliche Einschränkungen. Damit befindet sich SRZ mit über sieben Prozent ebenfalls oberhalb der geforderten Fünf-Prozent-Quote. „Entscheidend für eine Einstellung sei, ob die Kompetenzen und Fähigkeiten zum Unternehmen passen würden“, erklärt die Personalleiterin Gabriele Tiede.

Um ihre behinderten Mitarbeiter effektiv einsetzen zu können, nutzt die Firma den Eingliederungszuschuss, technische Arbeitshilfen und Arbeitsassistenz des Integrationsamtes sowie des Integrationsfachdienstes. Dabei ist allerdings Durchhaltevermögen von Nöten, betont Tiede.  Der Einsatz lohne sich aber. „Der Nutzen von Inklusion von Menschen mit Behinderung ins Arbeitsleben ist der Abbau von Vorurteilen“, stellt sie fest.

Eigene Fachfunktion bei IBM

Ganz anders und doch so ähnlich ist die Herangehensweise in einem weltweit tätigen Großunternehmen wie IBM. Inklusion ist seit langem fester Bestandteil der Firmenphilosophie. Deshalb gibt es in der Firmenhierarchie eine eigene Fachfunktion Diversity & Inclusion. Entschuldigungen und Ausreden, warum man keine behinderten Mitarbeiter einstellen könne, lässt Uta Menges, die Verantwortliche für diesen Fachbereich, nicht gelten. „Heute stehen viele Möglichkeiten zur Verfügung, um einen Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten.“ In ihrem Unternehmen sucht man immer nach individuellen Lösungen für den Mitarbeiter, und die können schon mal bis zu einer Spracheingabesoftware reichen, wenn der MItarbeiter nicht die Tastatur bedienen kann. „Die Personalpolitik und das tägliche Miteinander bei IBM basieren auf Chancengleichheit und respektvollen Umgang mit allen Beschäftigten“, erklärt Daniela Ludwig, ebenfalls aus der Fachabteilung IBM während einer Diskussion zur Buchvorstellung.

Ergänzt wird die Broschüre durch ein Glossar, das die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt.

Die Broschüre mit allen Berichten aus den Unternehmen kann unter www.life-online.de als PDF kostenfrei heruntergeladen werden.

 

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pr