Zwei Jahre Aktionsplan

Fakten zur Umsetzung des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“

von: Berliner Behindertenzeitung

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NRW-Sozialminister Guntram Schneider hat im Landtag eine erste Zwischenbilanz gezogen (Quelle: Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen / Foto: Roberto Pfeil).

Vor zwei Jahren hat die Landesregierung den Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beschlossen. Nun hat Sozialminister Guntram Schneider im Landtag eine erste Zwischenbilanz gezogen: NRW ist auf einem guten Weg, etwa 200 Maßnahmen aller Ressorts sind in Arbeit.

Grundsätzliche Daten

In NRW leben rund 2,6 Millionen Menschen mit Behinderungen, davon rund 1,7 Millionen Menschen mit schweren Behinderungen. Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Landesregierung unter Federführung des Sozialministeriums im Juli 2012 den bis zum Jahr 2020 angelegten Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ beschlossen. Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, die allen Menschen – ob mit oder ohne Behinderungen – die Teilhabe in allen Lebensbereichen und Lebensphasen ermöglicht. Dazu ist unter anderem eine „Neue Kultur inklusiven Denkens und Handelns“ erforderlich.
Über 200 Maßnahmen wurden seitdem in NRW angestoßen. Einige Vorhaben sind bereits abgeschlossen worden, an über 170 Maßnahmen wird gearbeitet, etwa 20 werden noch in Angriff genommen.

Inklusionsbeirat

Im Mittelpunkt des Aktionsplans steht der Grundsatz „Nicht über uns ohne uns“ – also Menschen mit Behinderungen als Betroffene und Experten in eigener Sache zu beteiligen. Deshalb wurde im Dezember 2012 der Inklusionsbeirat gegründet.
Zusammen mit sechs Fachbeiräten („Barrierefreiheit, Zugänglichkeit, Wohnen“, „Arbeit und Qualifizierung“, „Partizipation“, „Inklusive schulische Bildung“, „Gesundheit“ und „Kinder und Jugendliche mit Behinderungen“) begleitet er die Umsetzung des Aktionsplans.

Arbeitsmarkt

Arbeit ist mehr als reiner Broterwerb, Arbeit ist der Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft. Deshalb spielen Bildung, Ausbildung und die Partizipation am Arbeitsleben im Aktionsplan eine entscheidende Rolle. Die Bilanz in diesem Feld kann sich sehen lassen:
Das Neue Übergangssystem von der Schule in den Beruf wird inklusiv, es zielt auch auf Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen.
Jugendliche mit Behinderungen, die keinen regulären Ausbildungsplatz gefunden haben, bekommen jedes Jahr über die Aktion „100 zusätzliche Ausbildungsplätze“ eine Chance – mittlerweile haben darüber schon 890 Jugendliche eine Ausbildung begonnen.

Das Land fördert mit dem Programm „Integration unternehmen!“ die Gründung von Integrationsunternehmen, in denen Menschen mit und ohne Behinderungen Seite an Seite arbeiten. Inzwischen gibt es in NRW 250 Integrationsunternehmen, in denen 5.600 Menschen arbeiten, davon 2.700 mit Behinderungen.
Seit 2013 läuft das Programm „1.000 Außenarbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen“, das den Übergang von der Behindertenwerkstatt in reguläre Beschäftigung zum Ziel hat – 431 Außenarbeitsplätze konnten innerhalb rund eines Jahres bereits geschaffen werden.

Teilhabe

Die Partizipation soll auch durch die Einrichtung von Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben gestärkt werden, die als Beratungs- und Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen dienen. Sie sollen eine selbstständige Lebensführung fördern und geben beispielsweise Antworten auf Fragen wie: Wo beantrage ich einen Rollstuhl oder Behindertenausweis? Wie finde ich eine barrierefreie Wohnung? Wie kann ich trotz Behinderung eine Ausbildung absolvieren?
Zu den vorhandenen Zentren in Köln und Dortmund werden weitere in den anderen Regierungsbezirken hinzukommen, wobei eins der Kompetenzzentren speziell auf die Belange von Hörgeschädigten und Taubblinden zugeschnitten sein wird.
Mit dem Einstieg in die neue Förderphase des Europäischen Sozialfonds (ESF) sollen ESF-Gelder auch für die Stärkung der Inklusion eingesetzt werden, insbesondere für den Ausbau der Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben.

Wohnen

Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft, deshalb fördert die Landesregierung das Prinzip „Ambulant vor Stationär“. Zuvor waren die Kommunen zuständig für das „ambulante Wohnen“ (also das selbstständige Wohnen von Menschen mit Behinderungen bei entsprechender Unterstützung), die Landschaftsverbände dagegen für die Heimunterbringung, was mit Schnittstellenproblemen verbunden war. Die Zuständigkeit für beide Wohnformen hat befristet bei den Landschaftsverbänden gelegen und soll künftig dauerhaft an diese übergehen. Denn der Erfolg ist eindrucksvoll: Während die Zahlen beim stationären Wohnen seit dem Jahr 2004 bei rund 43.000 Plätzen stagnieren, sind sie beim ambulanten Wohnen von rund 9.000 im Jahr 2004 auf rund 52.000 im Jahr 2013 gestiegen.

Reform der Eingliederungshilfe

Eine wichtige Stellschraube für das Gelingen der Inklusion ist die Reform der Eingliederungshilfe. Deshalb setzt sich NRW für die Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes ein, das die Kommunen finanziell entlastet und die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stärkt. Das Bundesteilhabegesetz muss den Ansprüchen der UN-Behindertenrechtskonvention genügen, die Beteiligungsrechte der Menschen mit Behinderungen müssen gestärkt werden. Vor allem müssen die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen – soweit dies irgend möglich ist – endlich aus dem System der Sozialhilfe herausgelöst werden.

Inklusionsstärkungsgesetz NRW

Mit dem „Ersten Allgemeinen Gesetz zur Stärkung der sozialen Inklusion“ („Inklusionsstärkungsgesetz“) sollen die allgemeinen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Landesrecht übertragen werden. Dies betrifft beispielsweise die Verpflichtung aller Träger öffentlicher Belange auf die Grundsätze der Konvention und den Abbau von Sonderregelungen und Einrichtungen. Insbesondere soll damit verankert werden, dass Menschen mit Behinderungen beteiligt werden müssen. Und der Begriff der Barrierefreiheit wird so umgestaltet, dass er besser auf die verschiedenen Arten von Barrieren abstellt (denn es gibt nicht nur bauliche Barrieren, die etwa durch eine rollstuhlgerechte Rampe überwunden werden können, sondern beispielsweise für Menschen mit Sehbehinderungen Barrieren, die etwa durch barrierefreie Internetseiten überwunden werden können oder Verständnisbarrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten, bei denen Dokumente in leichter Sprache Barrierefreiheit bedeuten). Die im Aktionsplan angekündigte Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes soll im Rahmen des Inklusionsstärkungsgesetzes vollzogen werden und stärker auf die Kommunikationsbedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten abzielen.

Hinweis: Diese Darstellung beschränkt sich bei den Einzelmaßnahmen auf die fachliche Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales. Die am 4. Juni im Landtag vorgelegte „Information der Landesregierung zum Stand der Umsetzung des Aktionsplans ‚Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv’ in Nordrhein-Westfalen“ behandelt darüber hinaus unter anderem die Themen Kinder und Familie, Alter und Behinderung, Gesundheit und Pflege, Kultur und Sport, Schutz vor Gewalt, Medien und Kommunikation sowie Schule, Hochschule und Wissenschaft.
Der Bericht im Internet:  www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-1936.pdf