Interaktion mit behinderten Menschen

Der erste zwischenmenschliche Kontakt gestaltet sich meist schwierig.

von: Christian Grothaus

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BU FEHLT

Ob behinderte Menschen an der Gesellschaft teilhaben oder nicht, fängt schon bei der Kommunikation mit Ihnen an. Wird die Behinderung seitens des Gesprächspartners mit negativen Gefühlen verbunden, so kommt es häufig erst gar nicht zu einem Kontakt zwischen dem Behinderten und seines Gegenübers.
Hier setzt die Bundesregierung mit Inklusionsfördernden Maßnahmen an, um gerade den Kontakt zwischen Behinderten und Nichtbehinderten zu fördern.

Ein Ausschluss an gesellschaftlicher Teilhabe kommt oftmals schon durch eine funktionale Beeinträchtigung des Körpers oder des Geistes zustande. So fehlen Beispielsweise an vielen Bahn- und Bushaltestellen vibrierende bzw. hörbare Ampelanlagen für blinde oder taube Menschen. Treppen und Absätze sind häufig unüberwindbare Hindernisse für Rollstuhlfahrer. Nicht nur bei der Infrastruktur lässt sich eine derartige Benachteiligung ausfindig machen. Auch der falsche Interaktionsweise zu einem behinderten Menschen kann – unabhängig davon ob eine geistige oder körperliche Behinderung vorliegt – Exklusionsmuster verstärken. Wie kommt das?

Die böse Hexe und das gute Schneewittchen

Die Medien suggerieren uns das Bild eines schönen, gesunden und erfolgreichen Menschen. Weicht dieses im öffentlichen Bewusstsein fixierte Bild ab und der Mensch wird als anders wahrgenommen, ist es nicht selten, dass ihm noch negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Plakativ verdeutlicht wird dies beispielsweise in dem Märchen Schneewittchen. Die böse Hexe, wird äußerlich verunstaltet, das Schneewittchen jedoch wird charakterlich gut und schön dargestellt. Ist dieser Zuschreibungsprozess erst einmal in Gang gekommen, folgen bestimmte soziale Reaktionen der Umwelt auf den behinderten Menschen. Erst diese Verhaltensweisen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen definieren eine Behinderung. Von bloßer Unsicherheit über Hilflosigkeit bis hin zu Angst oder sogar Ekel, die Bandbreite der sozialen Reaktionen ist dabei sehr umfangreich. Besonders der erste Kontakt zu einem behinderten Menschen kann solche Gefühle auslösen, da viele nicht wissen, wie Sie mit dieser für sie definierten Andersartigkeit zunächst umgehen sollen.

Wo geht es lang?

Das normale Interaktionsmuster fällt aus der Reihe. Ein Sehender, der von einem blinden Menschen nach dem Weg gefragt wird, handelt sehr wahrscheinlich seiner Normvorstellung entsprechend und wird wenn er nicht mehr weiter weiß, die Finger zu Hilfe nehmen, um ihm den Weg zu weisen. Diese Verhaltensnorm wird in Anwesenheit des Blinden jedoch außer Kraft gesetzt, was letztlich dazu führen kann, dass sich der Wegweisende peinlich berührt fühlt. Deshalb versuchen die nichtbehinderten Interaktionspartner oftmals der Behinderung des jeweiligen Gegenübers keine Beachtung zu schenken um Ihre subjektiv empfundene Normalität zu wahren. Prof. Dr. Heinrich Tröster von der technischen Universität Dortmund nennt dieses Phänomen die „Irrelevanzregel“. Da es jedoch über lange Zeit sehr anstrengend ist, etwas Offensichtliches zu ignorieren, wird ein Kontakt von vornherein vermieden.

Ich helfe dir

Um diese negativen Vorkommnisse abzufedern kann es passieren, dass die Menschen mit Behinderungen mit einer entsprechenden Gegenreaktion antworten, um die Situation aufzulockern und es dem Gesprächspartner angenehmer zu gestalten. Dabei werden anfängliche Berührungsängste beispielsweise durch Selbstironie versucht aufzuheben. Wenn das nicht funktioniert kommt es im Extremfall – im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung – dazu, dass der Behinderte sich komplett von seiner Außenwelt isoliert, da er diese negativen Gefühle für sich verinnerlicht.

Eine Möglichkeit für die Gesellschaft

Aufgabe der Gesellschaft muss es sein, diese Stigmatisierungsprozesse zu unterbinden. Die Maßnahmen müssen dabei darauf abzielen, dass Verhalten der Menschen gegenüber Behinderte so zu beeinflussen, dass keine negativen Reaktionen mehr hervorgerufen werden. Als wichtiger Faktor für eine dementsprechende Einstellungsänderung ist neben einer besseren informativen Aufklärung über behinderte Menschen der soziale Kontakt essentiell. Dieser muss gefördert werden, da sonst keine Vorurteile abgebaut werden können. Hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan.
Die Bundesregierung hat mit Ihrer Politik für die Verbesserung der Teilhabechancen und der Sanktionierung diskriminierender Verhaltensweisen gegenüber Behinderten einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. So stellt die Behindertenquote in Unternehmen einen Kontakt zwar mehr oder weniger zwangsweise her, aber es besteht damit die Möglichkeit gegebene Vorurteile bzw. Ängste auszuräumen. Diese Gelegenheit bietet auch das noch in den Anfängen befindliche, inklusive Schulsystem indem nichtbehinderte und behinderte Kinder zusammen unterrichtet werden, können frühzeitig Interaktionsprobleme angegangen und besser ausgeräumt werden. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Entwicklungsprozess sich künftig weiter fortsetzt.