Am 10. Juni 2015 wurde das Präsidium des Behinderten-Sportverbandes Berlin (BSB) neu gewählt. An dessen Spitze steht nun wieder Dr. Ehrhart Körting. Er gab nach seiner Wahl folgendes Interview:
Frage: Nach Ihrer ersten Wahl zum BSB Präsidenten vor drei Jahren haben Sie für Ihre Amtszeit folgende drei Schwerpunkte genannt:
„Der Behindertensport ist inzwischen auch eine große Bewegung geworden. Das muss vernünftig organisiert sein. Vereinsführung und Verbandsführung ist auch immer eine große Herausforderung an die Organisation. Ich sage das bewusst zuerst, weil die tagtägliche Arbeit häufig „über die Schulter“ angesehen wird. Natürlich braucht man auch Ziele, Visionen, aber man braucht ein solides Arbeitsfundament. Das ist also die Aufgabe 1. Die Aufgabe 2 für mich, ist Behindertensport noch selbstverständlicher in unsere Gesellschaft zu integrieren. Und Aufgabe 3 ist für mich das Hereinholen von Menschen mit Migrationshintergrund aus dem türkischen, dem arabischen, dem bosnischen, dem russischen Bereich in den Behindertensport. Da gibt es noch viele „weiße Flecke“ besonders bei Frauen und Mädchen“.
Frage: Kritisch zurückgeschaut, welche Ziele haben Sie erreicht, was bleibt für die nächsten drei Jahre noch zu tun?
Körting: Der Verband ist gut aufgestellt. Über 27.829 Mitglieder aus dem Bereich des Sports für Menschen mit Behinderung und aus dem Rehasport werden von uns vertreten. Natürlich leisten den Schwerpunkt der Arbeit die Vereine und dort ehrenamtlich Tätige. Das wird in der öffentlichen Diskussion immer übersehen, wenn über scheinbar abnehmendes Engagement im Ehrenamt diskutiert wird. Ich sehe das nicht. Die Schwerpunkte und die Arbeitsformen mögen sich geändert haben, Menschen engagieren sich heute für Umweltschutz, für Flüchtlinge, für Ältere, und eben auch für Sport. Die Bereitschaft sich zu engagieren hat nicht abgenommen. Ich sehe durch die Inklusionsdebatte auch ein wachsendes Bewusstsein in der Gesellschaft, Behinderung und auch Behindertensport selbstverständlicher anzunehmen. Auch die Paralympics in London haben geholfen, Bewusstsein zu verändern. Das gilt schließlich auch für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Wir werben dafür. Und auch da gibt es Entwicklung. Nach einer von uns gemachten Umfrage haben über 60% unserer Vereine auch Mitglieder mit Migrationshintergrund.
Frage: Mit Kirsten Bruhn als Vizepräsidentin Sport wurde erstmals eine ehemalige Leistungssportlerin in das Präsidium des BSB gewählt. Sehen Sie darin einen wegweisenden Trend für die Zukunft, aktive oder zumindest ehemalige Spitzensportlerinnen oder Spitzensportler in Funktionärspositionen zu wählen?
Körting: Ich freue mich sehr, dass Kirsten Bruhn sich dazu bereit erklärt hat. Sie kann ihre Erfahrungen einbringen und glaubhaft junge Menschen motivieren. Der Verband kann seine Belange am besten vertreten, wenn viele verschiedene Erfahrungen zusammenfliessen. Die Mischung macht`s.
Frage: Nun übernehmen sie Ihre zweite Amtszeit ja in einem für den BSB wieder sehr ereignisreichem Jahr. Die Internationalen Deutschen Meisterschaften im Schwimmen (IDM) liegen mit einer Rekordbeteiligung von 600 Athletinnen und Athleten aus 42 Nationen hinter uns, und bei der IDM Leichtathletik am 19. Juni kommt die nächste Weltelite des Behindertensports nach Berlin. Die German Open im Rollstuhltennis bringen dann im August weiteren Spitzensport in die Hauptstadt. Ist Leistungssport nach wie vor der Motor im Behindertensport?
Körting:. Der Leistungssport ist eine von mehreren Aufgaben. Vom Arbeitsanfall aus gesehen sind sicherlich die Schwerpunkte der Breitensport und der Rehabilitationssport. Hier geht es um viele Mitglieder, die mitmachen. Die Veranstaltungen im Leistungssport helfen aber, Menschen anzuregen mitzumachen, Sport zu treiben, auch, wie im Leistungssport, die eigenen Leistungsgrenzen auszutesten. Insofern ist der Leistungssport selbstverständlicher Bestandteil allen Sports, der wettkampfmäßig betrieben wird. Die Internationalen Meisterschaften im Schwimmen, in der Leichtathletik, im Rollstuhltennis haben für mich nicht nur Bedeutung für den Sport, sondern ich verstehe sie auch als Werbung für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft. Ebenso wie die Fußballweltmeisterschaften mit einer Deutschen Nationalmannschaft, in der Spieler wie Ösil, Khedira, Boateng oder Podolski spielen, auch Werbung für Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind.
Frage: Leider ist Berlin ja bei der Bewerbung um die Spiele 2024 der Hansestadt Hamburg unterlegen. Hat sie das sehr geschmerzt oder sagen Sie: egal, Hauptsache Deutschland?
Körting: Es hat mich nicht geschmerzt, dass Hamburg die Nase vorn hat. Ich hätte mir als Berliner die Olympischen Spiele und die Paralympics in Berlin gewünscht. Das ist doch klar. Jetzt ist es Hamburg geworden, und ich wünsche den Hamburgern und uns allen in Deutschland, dass wir Erfolg mit der Bewerbung haben.
Frage: Am 5. Mai hat der BSB die Kampagne „Ungehindert. de Janeiro. Team Berlin 2016“ vorgestellt. Zusammen mit den Berliner Wirtschaftsgesprächen soll die finanzielle Basis für eine optimale Vorbereitung für Berliner Sportlerinnen und Sportler zu den Paralympics in Rio bereitet werden. Gibt es außer den 16.000 Euro, die der BSB aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellt, schon weitere finanzielle Zusagen?
Körting: Bei der Kampagne „Ungehindert. de Janeiro. Team Berlin 2016“ geht es darum, Berliner Athletinnen und Athleten die Teilnahme an den nächsten Paralympics zu ermöglichen. Es geht um Ausrüstung, um Training, um Teilnahme an vorbereitenden Wettkämpfen. Dazu werben wir um Unterstützung. Der Verband hat aus eigenen Mitteln bisher 16.000 € zurückgelegt. Aber wir hoffen auch auf Unterstützung von der Wirtschaft. Die Berliner Wirtschaftsgespräche wollen mit uns zusammen dafür Veranstaltungen organisieren, auf denen Spenden gesammelt werden. Die Kampagne beginnt erst. Schauen wir mal, was dabei raus kommt.
Frage: Vor drei Jahren, haben Sie auf die Frage, ob Sie selber auch sportlich aktiv sind, geantwortet, dass Sie einmal pro Woche 1.000 Meter schwimmen. Ist es dabei geblieben und was macht das Sportabzeichen?
Körting: Das Sportabzeichen habe ich letztes Jahr wieder gemacht. Aber wichtig ist nicht, einmal im Jahr was zu tun, sondern laufend. Da habe ich Nachholbedarf.
