
Fabien spielt in dem Kinofilm „Mit ganzer Kraft – Hürden gibt es nur im Kopf“ den 17-jährigen Protagonisten Julien. Der Film ist ab dem 28. August im Kino zu sehen (© Guy Ferrandis).
Was hielten Sie von diesem Projekt, dessen Hauptfigur – genau wie Sie – ein junger Behinderter ist?
Ich kannte Nils überhaupt nicht, denn wir sind uns erst beim Casting begegnet. Aber was mich schnell beruhigte, war die Tatsache, dass er bereits mit Behinderten zusammengearbeitet hatte und dass Alexandra Lamy einen Dokumentarfilm über die Schwierigkeiten gedreht hat, die manche Familien durchmachen, deren Kinder krank oder behindert sind. Und dass sie sich deshalb mit dem Kosmos auskannte, den unser Film schildert. Deshalb hatte ich sofort das Gefühl, verstanden zu werden.
Und wie fanden Sie das Drehbuch?
Sehr bewegend, denn viele Situationen sind ausgesprochen realistisch und treffend beschrieben. Die Geschichte spiegelt meine eigene wieder, und ich habe natürlich auch einiges mit meiner Filmfigur gemeinsam. Obwohl wir uns charakterlich total unterscheiden, hatte ich große Lust, am Casting teilzunehmen, ganz egal, ob und was sich danach ergeben würde …
Wie würden Sie Julien beschreiben?
Er ist schon sehr eigen! Hat er sich erst mal was in den Kopf gesetzt, bleibt er dabei und zieht die Sache durch. In dieser Hinsicht ähneln wir uns. Er ist ein Mensch, der viel Mut an den Tag legt, aber wenn man behindert ist, braucht man den auch. Abgesehen davon, sieht er seinen Vater äußerst selten, und deshalb haben die beiden kaum etwas gemeinsam. Er steht seiner Mutter viel näher, die sich für ihn aufopfert. Er weiß zwar, dass sie ihn mit ihrer Fürsorge erstickt, auf der anderen Seite ist ihm aber auch be- wusst, dass sein Leben sehr viel komplizierter wäre, wenn sie nicht mehr für ihn da wäre. Denn er könnte gar kein selbstständiges Leben führen. Deshalb sagt er auch nichts, zumal er ihr nicht weh tun möchte. Ohne sie hätte er nämlich niemanden, der ihm zur Seite steht.
Welche Erinnerungen haben Sie an den Tag, an dem Sie den Start des Ironman in Nizza gedreht haben?
Am Vortag hatten Jacques und ich ein wenig geprobt, um uns mit allem vertraut zu machen. Aber als wir dann am Sonntag um 5 Uhr morgens aus unserem Hotel kamen, all die Athleten sahen, die schon ganz konzentriert waren, und die Atmosphäre rund um das Ironman-Gelände spürten, steckten wir sofort mitten drin in dieser unglaublichen Stimmung. Man konnte die Spannung, den Druck, all diese Gefühle spüren, man merkte, dass alle auf diesen Tag hingearbeitet hatten, und das hat mich wirklich umgehauen. Hinzu kam, dass es sich um meinen ersten Drehtag überhaupt handelte. In physischer und mentaler Hinsicht war das alles sehr anstrengend für mich, aber auch ein Tag, den ich nie vergessen werde.
Wie war die Zusammenarbeit mit Alexandra Lamy, die ihre Mutter spielte?
Wir stellten schnell fest, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Ich hatte zwar Bedenken, wie sie auf meine Behinderung reagieren würde, aber sie ging ganz normal damit um. Sie war immer gutgelaunt, ein sehr fröhlicher Mensch. Vor den Aufnahmen haben wir immer geschwiegen, und das sorgte für positiven Druck, wenn die Kamera lief.
Und wie lief es mit dem Regiseur Nils Tavernier?
Nils suchte in erster Linie nach einem Schauspieler, nicht bloß nach einem Jugendlichen mit Behinde- rung. Während des Castings hatte er keine Skrupel, mich in die Enge zu treiben. Aber während der Dreharbeiten war es ihm wichtig, mir Vertrauen zu geben und den Mut, die Dinge anzupacken. Er hat mich gleichzeitig beschützt und hohe Anforderungen an mich gestellt.
Ließ er Sie manchmal improvisieren?
Ja, in einer Krankenhaus-Szene. Nils wollte, dass ich sie auf eine ganz bestimmte Weise spiele, aber es funktionierte nicht. Nach etlichen Versuchen sagte er schließlich: „Spiel es bitte, wie du es empfindest!“ Ich habe mich konzentriert und mir Dinge in Erinnerung gerufen, die mich geprägt haben, und dann hab ich mich in die Szene gestürzt. Ich glaube, dass es mir ganz gut gelungen ist, meine Gefühle auszudrücken, denn das Team wirkte durchaus bewegt. Als wir diese Sequenz drehten, ist für mich ein Knoten geplatzt, denn in diesem Moment habe ich eine gan- ze Menge begriffen.
Konnten Sie aus eigenen Erfahrungen schöpfen?
Klar. Wenn ich große Gefühle zeigen oder meiner Filmfigur Gestalt verleihen musste, habe ich mich auf mein Leben gestützt. Schließlich weiß ich am besten, was es heißt, nicht selbständig leben zu können. Ich musste auch an meine Freunde denken, die es häufig noch schwerer haben als ich, und das half mir ebenfalls beim Spielen. Ich persönlich bin von Natur aus Optimist, und obwohl mir klar ist, dass ich behindert bin, sage ich mir auch, dass ich nur dieses eine Leben habe und es voll auskosten muss. Man muss kämpfen und Hindernisse überwinden. Ich bin überzeugt, dass es für Menschen, die mit einer Behinderung leben, lebensnotwendig ist, mentale Stärke zu entwickeln.
Weitere Infos und Filmtrailer unter: www.mitganzerkraft.de