Jeder Arbeitsplatz ist geeignet

Der Verein Life e.V. informiert über gute Beispiele auf dem Arbeitsmarkt.

von: Siegurd Seifert

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Die gehörlose Mitarbeiterin Birgit Hartmann (links) und die Seniorchefin der Firma FAPACK (Mitte) erklären, warum Behinderung und Arbeit kein Widerspruch sind. Moderatorin Birgit Wedell von Life e.V. (rechts) kann da nur zustimmen.

Glaubt man den alten Philosophen, so ist der Mensch erst durch die sinnvolle Arbeit zum Menschen geworden. Arbeit spielt in unserem Leben also eine entscheidende Rolle. Auch wenn niemand mehr Feuersteine sammeln muss, um seiner Familie Geborgenheit zu bieten, die Arbeit gibt unserem Tag eine Struktur. Wir wissen, warum wir früh aufstehen und erfahren gesellschaftliche Anerkennung in Form einer mehr oder weniger gefüllten Lohntüte am Ende des Monats.
Die Erfahrung sagt allerdings, dass es oft nicht so einfach ist, eine bezahlte Arbeit zu bekommen.  Das gilt ganz besonders für Menschen mit einer Behinderung. Oft winken Arbeitgeber ab, sobald dieses magische Wort „Behinderung“ fällt. „Die sind nicht so leistungsfähig, wie wir das brauchen“, „Sie bekommen fünf Tage mehr Urlaub“ oder „Ich bekomme einen Schwerbehinderten ja nie wieder los“ sind die gängigen Vorurteile, wenn es um sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für behinderte Menschen geht. Das absolute KO-Argument ist aber der fehlende behindertengerechte Arbeitsplatz. Lieber die Ausgleichsabgabe bezahlen, die ist eine feste Größe in der Buchhaltung und dafür keinen Stress haben.

Es müssen nur die Bedingungen passen

Maria Annußek von der AG Ausbildung – Schulung – Bildung (ASB) weiß es besser: „Jeder Schwerbehinderte kann an jedem Arbeitsplatz arbeiten, wenn die Bedingungen geschaffen werden“. Annußek meint, dass mit entsprechenden Anpassungen jeder Arbeitsplatz passend gemacht werden könnte. Wie das zu bewerkstelligen ist, wollte der Verein Life e.V. am 8. Oktober in einer Veranstaltung erklären. Gemeinsam mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und dem Unternehmensnetzwerk Großbeerenstraße luden sie interessierte Bürger und Unternehmer in die Firma Pepperl + Fuchs GmbH ein.
Birgit Hartmann ist eine gehörlose Mitarbeiterin in der Firma FAPACK. Sie war gemeinsam mit der Seniorchefin Dagmar Behrens gekommen und berichteten über ihre Erfahrungen. Birgit Hartmann hatte sich Ende Oktober 2013 in der Firma beworben, bereits am 17. Januar 2014 waren alle Fragen mit dem Integrationsamt geklärt und sie bekam ihren befristeten Arbeitsvertrag, der am 20. April 2014 in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt wurde.

Engagierte Unternehmer sind nötig

Diese Entwicklung wäre nicht möglich gewesen, wäre Dagmar Behrens eine Unternehmerin wie die oben Beschriebenen. Für sie war es selbstverständlich, sich den Anforderungen zu stellen. Allerdings musste auch sie ihre Erfahrungen mit Behörden machen, als es zum Beispiel um die Bereitstellung eines Gebärdendolmetschers ging. Zu lang sind die Entscheidungswege, zu unflexibel das System. Der Vertreter der Rentenversicherung korrigierte sich in seiner Rede über die Reha-Maßnahmen dann auch schnell: „… wenn er (der Rehabilitant – S.S.) nach einem drei Vierteljahr oder wie das so ist, nach einem viertel Jahr also nach sechs Wochen wieder anfängt.“ Sozusagen Zeitberechnung nach Rentenversicherungsart.
Der Antrag für einen Gebärdendolmetscher für Birgit Hartmann wurde abgelehnt. Aber die Firma FAPACK hätte einen Einbau eines Fahrstuhls genehmigt bekommen. Schade eigentlich, dass sie den gerade nicht brauchten. Birgit Hartmann sollte am Gesundheitstag der Technikerkrankenkasse teilnehmen und dafür wäre eben der Dolmetscher und nicht der Fahrstuhl nötig gewesen.
Und das Argument, man könne einen behinderten Mitarbeiter nicht entlassen, entkräftete die Mitarbeiterin des Integrationsfachdienstes ebenfalls. Wohl haben schwerbehinderte Menschen einen besonderen Kündigungsschutz und eine Kündigung müsse genehmigt werden, 70 Prozent der Fälle werden aber stattgegeben, in 15 Prozent einigen sich Unternehmer und Beschäftigter und nur ganz selten muss das Gericht entscheiden.