Mehr als 60 Jahre nach Gründung des Behinderten-Sportverbandes Berlin (BSB), wurde mit Kirsten Bruhn erstmals eine Leistungssportlerin des paralympischen Sports in das Präsidium gewählt. Nach Ihrer Wahl führten wir mit Kirsten Bruhn folgendes Interview.
Frage: Frau Bruhn, erstmals herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie nach über 60 Jahren Verbandsgeschichte, die erste Leistungssportlerin sind, die in das Präsidium des BSB gewählt wurde, und sind sie nun endgültig in Berlin angekommen?
Bruhn: Vielen Dank für die Glückwünsche. In Berlin angekommen? Ja, ich bin in Berlin angekommen. Aber es gibt noch viel zu viel was ich sehen und kennenlernen möchte in Berlin. Die Zeit dafür muss ich wirklich planen und einteilen. Das ist bisher nicht der Fall gewesen.
Frage: Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten drei Jahre in Ihrer Verbandsarbeit gesteckt?
Bruhn: Zunächst muss ich vieles von der Nichtathletenseite beäugen und dann erhoffe ich mir, den Sport und die Bewegung flächendeckend attraktiv für Jedermann machen zu können. In meinem Leben habe ich immer erleben können, dass Bewegung Schmerzen hemmt und vieles dadurch kompensiert werden kann. Es wäre schön wenn das viele mehr erleben und somit Fan vom Sport, auch im inklusiven Sinne, werden können.
Frage: Ist Ihnen der Abschied vom Leistungssport schwer gefallen, oder sagen Sie eher, alles hat seine Zeit?
Bruhn: Sowohl als auch. Es hat alles seine Zeit, dennoch fällt mir der Übergang schwer. Mein Körper möchte mehr Sport betreiben, der Kopf sagt geht nicht, weil die Zeit fehlt und die Arbeit geht vor. Na ja und diesen Kampf trage ich in mir. Das wird sicher auch noch eine Weile brauchen.
Frage: Wie wichtig ist für Sie Sport noch im täglichen Leben? Trainieren Sie noch oder steigen Sie jetzt, wie es Franziska van Almsick nach Ende ihrer Karriere gemacht hat, gar nicht mehr ins Becken?
Bruhn: Oh doch, auf jeden Fall. Mindestens 3x die Woche für 3 km muss ich ins Wasser. Sonst laufe ich Amok in mir selbst. Das werde ich hoffentlich mein Leben lang können. Ab und an steige ich auch auf das Fahrrad-Ergo, aber ehrlich gesagt, gibt mir das Schwimmen mehr Kompensation und Raum zum Abreagieren.
Frage: Seit Sie in Berlin leben, arbeiten Sie ja im UKB Marzahn. War das der Grund Ihres Umzugs nach Berlin oder waren es doch eher private Gründe?
Bruhn: Ich würde sagen, die privaten Gründe waren schon federführend, und ich hatte das Glück, dass die berufliche Situation sich dann perfekt einfügen ließ. Da bin ich dem UKB auch sehr dankbar!
Frage: Ihr Vater war ja gleichzeitig auch Ihr Trainer. Hat der nun auch mehr Freizeit oder ist er weiter als Trainer tätig?
Bruhn: Papa ist weiterhin Trainer und zudem hat er auch mehr Zeit für Mama und Freizeitgestaltung. Da wir ja morgens und abends trainiert haben, fällt der Vormittag jetzt ganz in den gestaltungsfreien Bereich für beide. Das ist auch schön zu wissen für mich.
Frage: Die Internationalen Deutschen Meisterschaften im Schwimmen, die seit 2000 jedes Jahr in Berlin stattfinden, haben Sie als Aktive von Beginn an in hohem Maße mitgeprägt. Werden wir Sie in Zukunft, vielleicht in einer anderen Funktion, dort wiedersehen?
Bruhn: Auf jeden Fall als begeisterte und interessierte Zuschauerin. Da ich sehr mit dem Nachwuchs fiebere und auch große Hoffnungen in ihn setze, möchte ich die Entwicklungen national und auch international so gut es geht verfolgen. Da bieten sich die Internationalen Deutschen Meisterschaften hier in Berlin jedes Jahr natürlich an.
Frage: Aktuell wird viel diskutiert, ob Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Behinderung dauerhaft zusammen starten sollen. Der Leichtathlet Heinrich Popow hat sich aktuell in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel dagegen ausgesprochen. Wie ist Ihre Meinung hierzu?
Bruhn: Ich bin auch eher dagegen. Es ist zu filigran in den verschiedenen Startklassen, und das ganze transparent oder auch fair miteinander zu gestalten, ist in meinen Augen nicht möglich. Sehr wohl bin ich dafür, dass man sportspezifische Events parallel austrägt. Die Deutschen Meisterschaften wie auch Europa- und Welt-Meisterschaften kann man ohne Probleme im olympischen wie auch im paralympischen Bereich zusammen austragen. In den Wertungen und jeweiligen Starts/Wettkämpfen getrennt, aber am selben Ort und zum selben Zeitpunkt. Das wäre toll, und ich denke, auch für alle eine große Bereicherung und Motivation.