Krakau gilt für Polenkenner als die schönste polnische Stadt. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten, wie der wunderschöne Marktplatz oder das Königsschloss, laden zum Verweilen ein. Dominik Peter hat sich in Krakau umgesehen und überraschendes entdeckt.
Wer nach Krakau kommt, erlebt zunächst eine große Überraschung. Der Marktplatz Krakaus, mit seinen Tuchhallen, der Marienkirche und den imposanten Bürgerhäusern, mutet nicht nur architektonisch unerwartet mediterran an. Hier treffen sich Touristen und Einheimische gleichermaßen, um sich von Musikern und Straßenkünstlern unterhalten zu lassen und das rege Treiben auf dem Platz zu beobachten. Kein Wunder, dass Krakau von der UNESCO bereits 1978 zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Schließlich war während des 2. Weltkriegs die Stadt nur wenig zerstört worden und vieles wurde zudem liebevoll restauriert. Überhaupt, die ganze Altstadt wirkt wie ein gut erhaltenes Freilichtmuseum. In jeder Gasse und in jeder Straße lassen sich Highlights entdecken. Doch wie zu erwarten war: Für Behinderte, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist bisher wenig getan worden. Insofern ist eine gute Vorabplanung unerlässlich, will man Krakau samt seiner Altstadt bestaunen.
Schon die Organisation der Anreise lässt sich gut an. Nach der Onlinebuchung eines Easyjet-Flugs – rund 70 Euro pro Person für einen Hin- und Rückflug – wird bei der Fluglinie angerufen. Alle Fluglinien bestehen auf einer Anmeldung, sofern es sich bei dem Passagier um einen Rollstuhlfahrer handelt. Eine freundliche Mitarbeiterin nimmt die Daten und meine Anmeldung auf. Der eigentliche Flug, einige Wochen später, klappt dann reibungslos. Sanitäter bringen mich am Flughafen bis zu meinem Sitzplatz. Auch in Krakau klappt erstaunlicherweise alles reibungslos. Für die kurze Fahrt in die Stadt nehmen wir ein Taxi, was nur einige Euros und Minuten kostet.
Schlafen mit Stil
Als echter Geheimtipp entpuppt sich unser stilvolles Hotel „Polski Pod Bialym Orlem“ (ul. Pijarska 17, www.podorlem.com.pl, dt.: Hotel zum weißen Adler“). Das „Polski Pod Bialym Orlem“ haben wir aus zwei Gründen gebucht: Es hatte laut Internet ein behindertengerechtes Zimmer im Angebot. Ferner liegt es direkt in der Altstadt. Trotz sommerlicher Hochsaison bekommen wir das geräumige Zimmer bereits ab rund 40 Euro p.P./DZ. Was im Internet versprochen wurde, hält das Hotel wirklich ein: Das Zimmer ist komplett behindertengerecht. Die Dusche und das Waschbecken sind unterfahrbar, Griffe sind an den richtigen Stellen befestigt und das Bett verfügt über eine optimale Höhe. Auch ist überall wo notwendig genügend Rangierfläche vorhanden. Doch nicht nur das Zimmer begeistert uns, sondern auch die Lage des Hotels ist einmalig. Nur einen Katzensprung vom Marktplatz entfernt und direkt gegenüber dem Florianstor, lässt sich von hier aus Krakau bequem erkunden. Einziger Wehrmutstropfen: Zum ansonsten schwellenlosen Hotel geht es eine blöde Stufe rein. Die Stufe wird jedoch schnell vergessen, denn die freundlichen Hotelangestellten helfen immer und gerne.
Wer nach Krakau kommt, sollte sich möglichst in zentraler Altstadtlage eine Unterkunft suchen. Die öffentlichen Verkehrsmittel, die wir zu Gesicht bekamen, waren mehrheitlich untauglich für Rollifahrer. Was sich aber auch nicht weiter als Problem herausstellte, da die Distanzen in der Altstadt gering sind.
Glücklich kann sich auch der Rollstuhlfahrer schätzen, der einen Schieber dabei hat. Wer den Wawel, mit dem Königsschloss aus dem 16. Jahrhundert und der Kathedrale besuchen will, braucht unbedingt Hilfe. Schließlich sind teilweise sehr steile Wege zu meistern. Vieles, wie die Kathedrale, sind allerdings nur von aussen zu bestaunen, da heftige Stufen zu überwinden sind.
Weitaus leichter sind Sehenswürdigkeiten rund um den Marktplatz zugänglich. Die Tuchhallen mit ihren Renaissance-Giebeln und die seitlichen Arkaden – die an Venedig erinnern – sind leicht berollbar. Auch andere Sehenswürdigkeiten, wie die Marienkirche mit dem atemberaubenden Hochaltar von Veit Stoß sind bequem und problemlos zu besichtigen.
Essen, Trinken, Nightlife – Und Kultur satt!
Ein Besuch des jüdischen Viertels Kazimierz sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Das besterhaltene ehemalige jüdische Stadtviertel Europas – in dem unter anderem Steven Spielberg Teile seines Filmklassikers „Schindler´s Liste“ drehte – ist mittlerweile zum Szeneviertel avanciert. Besonders im Juli, wenn das traditionsreiche Festival der Jüdischen Kultur gefeiert wird, steppt dort der Bär. Rehatreff-Leser wird es freuen: Die meisten Aufführungen und Konzerte sind umsonst und unter freiem Himmel.
Ein weiteres Krakauer Juwel lässt sich im Czartoryski-Museum bestaunen. Das Museum erstreckt sich über einen Palast und ein Kloster in der Altstadt, und beherbergt die älteste Sammlung Polens mit Artefakten aus allen Epochen und Erdteilen. Berühmtestes Ausstellungsstück ist das Gemälde „Die Dame mit dem Hermelin“ von Leonardo da Vinci. Für dieses Werk allein würde sich eigentlich schon ein Besuch der altehrwürdigen Gemäuer lohnen. Spartipp: Wer über ein Wochenende nach Krakau reist genießt an Sonntagen freien Eintritt ins Czartoryski-Museum. Museen, die Rollstuhlfahrern empfohlen werden können, sind unter anderem das Nationalmuseum mit Exponaten Polnischer Kunst aus dem 20. Jahrhundert (3 Maja Allee 1) und der Kunstpalast (Szczepański Platz 4).
Zu Krakau gehört auch ein Besuch in den sogenannten „Milchbars“, in denen es sich gut und preiswert essen lässt. Neben Nudel- und Gulaschgerichten werden hier auch die typisch polnischen Pierogi (Teigtaschen mit den unterschiedlichsten Füllungen) angeboten. Und außer den Mehlspeisen, die an Krakaus K. u. K.-Vergangenheit erinnern, bekommt man hier auch leckere Suppen. Zwar muten einige Milchbars eher kantinenhaft an, doch das recht gute Essen und vor allem das Preisgefüge – ein Mittagessen gibt es schon für 3 Euro – lassen darüber hinwegsehen. Die Milchbar „Grodski“ (Ul. Grodzki 47), zentral in der Altstadt gelegen, wird daher auch sehr gerne von Krakauern besucht.
Sehr stimmungsvoll ist das „Café Redolfi“ (Rynek Glowny 37/39, Ecke Ul. Slawkowska) am Marktplatz. Neben tollen Kaffee-Spezialitäten lockt der Blick auf das bunte Treiben des großen Platzes. Abends bietet das Café auch schmackhafte und preiswerte typisch polnische Gerichte an. Wer drinnen essen will, muss leider eine Stufe überwinden. Von Frühjahr bis weit in den Herbst hinein, wird aber auch aussen serviert. Gut nur, dass man vom Café Redolfi nicht mehr weit laufen muss, unser Hotel liegt nur wenige Schritte entfernt. Zwar ist die Zugänglichkeit in den rund 500 Lokalen in der Altstadt sehr häufig nicht gegeben, aber im Sommer ist dies weniger problematisch. Denn in den wärmeren Monaten bieten viele Restaurants und Lokale Aussenbewirtschaftung an.
Fazit: Krakau ist auch im Rollstuhl besuchbar, sofern eine Hilfe mit von der Partie ist. Wer Hindernisse nicht scheut, wird auch in Krakau ein paar schöne Tage erleben. Alle Shenswürdigkeiten sind jedoch nicht berollbar.
Krakau Info
Touristeninformation: Die Touristeninformation „Małopolskie Centrum Informacji Turystycznej“ (Marktplatz Nr. 1/3) hilft in allen Belangen vor Ort weiter.
Unterkunft mit Stil: Preiswert, aber dennoch mitten in der Altstadt: Beispielsweise das Hotel „Polski Pod Bialym Orlem“ (ul. Pijarska 17, www.podorlem.com.pl, Doppelzimmer ab 78 Euro bei zwei Übernachtungen). Zudem bietet das Polski Pod Bialym Orlem ein behindertengerechtes Zimmer an. Weitere Hotels mit speziellen Zimmern sind das Hotel Francuski (www.orbis.pl), das Hotel Piast (www.hotelpiast.pl) und das Hotel Demel (www.demel.com.pl). Ferner haben das Ibis Hotel, das Novotel und das Sofitel (alle www.accorhotels.com) behindertengerechte Zimmer.
Ausflüge: Von Krakau aus lassen sich preisgünstig Ausflüge nach Oswiecim (Auschwitz) und nach Czestochowa (Tschenstochau) organisieren. Vor Ort kann man bei günstigen Anbietern buchen. Viele Hotels vermitteln auch diese Touren.
Discountflieger: Krakau haben Billigflieger wie Easyjet (ab Berlin, Dortmund) und Germanwings (ab Köln, Stuttgart, Hamburg) im Flugplan. Zudem fliegt die Lufthansa derzeit ab 99 Euro (Betterfly-Tarif, Hin- und Rückflug) ab München nach Krakau. Ein Preisvergleich lässt sich unter www.discountflieger.de schnell erstellen.
Reiseveranstalter: Dertour bietet das Sheraton Krakau ab 60 Euro p.P./DZ (Monat Oktober) an. Das 5-Sterne Hotel Radisson SAS kann für 77 Euro p.P./DZ gebucht werden. FTI Touristik hat das Novotel (Blick auf Wawel) ab 58 Euro p.P./DZ im Angebot.
Spartipp: Günstige Reisezeiten
In den Monaten Juli, August und Oktober gewähren viele Stadthotels/Reiseveranstalter massive Abschläge. Teilweise gibt es Hotelzimmer mit bis zu 60% Rabatt.
Reiseführer: Der Vis-À-Vis Reiseführer über Krakau vom Dorling Kindersley-Verlag ist ein absolutes Muss. Mit über 700 farbigen Fotos und zahlreichen Grundrissen, lässt sich ein Städtetrip wunderbar planen.
Taxi: Es gibt ein spezielles Taxiunternehmen (Tel.: 9633 oder 9688) in Krakau, das Rollstuhlfahrer befördert.
