Seit 2009 bietet das Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter Menschen (BZSL) e.V. über so genannte Sprachmittlung psychosoziale Beratung und Hilfen für Flüchtlinge mit Handicaps an, die sich im Asylverfahren befinden. Von 2012 bis 2014 erfolgte dies in einem Projekt des Europäischen Flüchtlingsfonds, in Kooperation mit Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) des Kreisverbandes Berlin-Mitte e.V. und mit Xenion e.V., einem Anbieter von psychosozialen Hilfen für politisch Verfolgte. Diese Arbeit wird zum Teil in der Trägerschaft des Behandlungszentrums für Folteropfer e.V. mit freundlicher Unterstützung der Lotto-Stiftung Berlin, des UNO-Flüchtlingswerks und der Parität Berlin teiweise ehrenamtlich fortgesetzt.
Der rechtliche Hintergrund
Den rechtlichen Hintergrund für die Arbeit des BZSL bildet die 2003 und 2013 verabschiedete EU-Aufnahmerichtlinie, die Normen für die Aufnahme von Personen festgelegt hat, die internationalen Schutz beantragen. Diese EU-Aufnahmerichtlinie sieht unter anderem vor, dass die Mtgliedstaaten der EU die spezielle Situation besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge berücksichtigen. Als solche gelten insbesondere Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, schwangere Frauen, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Übergreifend, im Hinblick auf all diese Gruppen von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen bemüht sich auf der Landesebene das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge darum, deren Situation zu sichern und zu verbessern.
Vom BZSL angebotene Hilfen
Die vom Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter Menschen angebotenen Hilfen umfassen zum einen Beratung im Hinblick darauf, wie sich für Geflüchtete mit Behinderung oder Traumatisierung Einschränkungen im neuen Alltag hierzulande besser bewältigen lassen, zum anderen Hinweise, wie sich eine medizinische Versorgung organisieren lässt. Darüber hinaus werden die Asylsuchenden beim Stellen von Anträgen für die Bewilligung von Heil- und Hilfsmitteln unterstützt. Die Betroffenen können beim BZSL ebenfalls die für sie wichtige Bescheinigung über Schutzbedürftigkeit gemäß der oben genannten EU-Aufnahmerichtlinie erhalten.
Für die oft im Zusammenhang mit den Ursachen ihrer Flucht traumatisierten Menschen wurde bis 2014 gemeinsam mit Kooperationspartnern ebenfalls eine „psychotherapeutische Versorgung am Schnittpunkt von Gesundheit und Menschenrechten“ angeboten. Diese sollte eine Stabilisierung von Betroffenen, Stress- und Schmerzmanagement, den Aufbau von Zukunftsperspektiven und, wenn nötig, auch eine Krisenintervention beinhalten. Zur Zeit können die Asylsuchenden beim Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in erster Linie sozialarbeiterische Hilfe zur Unterstützung im neuen Lebensumfeld in Anspruch nehmen, im Hinblick auf sozialrechliche Ansprüche einer behindertengerechten Versorgung oder, wenn es um Behördengänge oder die Vermittlung von ehrenamtlichen Mentoren geht.
Nicht zuletzt erstreckt sich die beim BZSL erreichbare Unterstützung von Asylsuchenden auch auf so genanntes Empowerment durch gleich oder ähnlich Betroffene: In Gesprächen soll die persönliche Selbstachtung und Selbstbehauptung gestärkt und bei der Bewältigung von erlittenem Leid unterstützt werden. Die eigenen Fähigkeiten sollen wieder erkennbar gemacht werden und zur Teilhabe an der Gesellschaft wird ermutigt.
Voraussetzungen und Zielsetzung der Beratungsgespräche
Im alltäglichen Kontakt mit den Asylsuchenden versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BZSL oft so etwas wie Mittler zu sein, also aufmerksam zu beobachten, wo Hilfe gebraucht wird und was für weitere Informationen noch benötigt werden. Vor allem muss es, so ihre Erfahrung, in der Regel darum gehen, Vertrauen aufzubauen. Dabei hilft manchmal der peer-Aspekt, dass man nämlich auch behindert, also ein Stück weit in einer ähnlichen Lebenslage ist. Eine weitere Voraussetzung der Beratungsgespräche mit den Asylsuchenden besteht darin, dass sie bestimmen, welches Beratungsanliegen im Vordergrund steht.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BZSL sind bei den Beratungsgesprächen häufig mit großen Erwartungen der Ratsuchenden konfrontiert, die dann oft schnelle Hilfe erwarten. Tatsächlich ist es nach den Erfahrungen des BZSL so, dass die grundsätzliche medizinische Versorgung und die Versorgung von akut Erkrankten gewährleistet ist, während die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln und Psychotherpie wiederholt stockt bzw. gar nicht erreicht wird. Von Seiten der Betroffenen können dahingehend zwar Anträge gestellt werden, Oft wird ihnen aber daraufhin wohl mitgeteilt, dass diese Anträge nicht bewilligt, sie gemäß dem § 6 des Asylbewerberleistungsgsetzes nur eingeschränkt versorgt werden können. Die momentan kritische Versorgungslage aller Flüchtlinge ist aus der Presse und anderen Medien hinreichend bekannt.
Die medizinische und pflegerische Versorgung nicht nur von behinderten Flüchtlingen und die Hilfsmittelversorgung solle daher, so die Anregung des BZSL, gleichgestellt mit der von deutschen Mitbürger/innen erfolgen. Denn Menschen, die sich trotz einer körperlichen Beeinträchtigung oder einer Traumatisierung zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen sehen, haben, so die Erfahrungen des BZSL, mit schweren Belastungen zu kämpfen. Es sind „mühevolle und oft frustrierende Schritte, mit denen die betroffenen Flüchtlinge ihre Situation zu verbessern versuchen“. Um die dabei notwendige Unterstützung leisten zu können, bemüht sich das BZSL gegenwärtig um die weitere Finanzierung des Projekts „Leben lebenswert“.