Maßstab bleibt die UN-Behindertenrechtskonvention

Bundesregierung lud zu den 2. Inklusionstagen nach Berlin ein

von: André Nowak

IMG_4205 Kopie 2Vom 23. bis 24. November 2015 lud das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zu den Inklusionstagen 2015 ins bcc auf den Berliner Alexanderplatz ein. Und über 500 Teilnehmende kamen, um mit den Vertretern der Bundesregierung und der Ministerien über ihren Arbeitsentwurf des Nationalen Aktionsplans (NAP 2.0) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu diskutieren.
Damit hat – so das BMAS – der breite Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung des NAP, der bei den Inklusionstagen 2014 begonnen wurde, seine weitere Fortsetzung gefunden. Mit den Ergebnissen der Inklusionstage 2015 im Gepäck wird nun mit der Erarbeitung und Abstimmung des Referentenentwurfs begonnen. Ziel des BMAS ist, den NAP 2.0 im März 2016 im Bundeskabinett zu verabschieden.
Zu Beginn der Konferenz verwies die Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf den Arbeitsentwurf des NAP 2.0, der mit seinen derzeit 122 Maßnahmen auf die 242 Maßnahmen des ersten Aktionsplans aus dem Jahr 2011 aufsetzt und eine strukturelle wie inhaltliche Weiterentwicklung darstellt (siehe auch www.gemeinsam-einfach-machen.de). Aus Sicht der Staatssekretärin wurden viele Anregungen aus der Evaluation des ersten Aktionsplans im NAP 2.0 und den Empfehlungen aus der Staatenprüfung Deutschlands durch den zuständigen UN-Vertragsausschuss aufgegriffen.

Menschenrechte statt schwarze Null

Bei aller Würdigung für den vorgelegten Entwurf, das Bemühen des BMAS um einen intensiven Dialog mit den Behindertenverbänden und dem tiefen Griff in die Kasse, damit die Konferenz in einer hervorragenden Atmosphäre verlaufen konnte ließ die Kritik am NAP 2.0 nicht lange auf sich warten.
Für die Bundesbehindertenbeauftragte bei der Bundesregierung Verena Bentele ist der Finanzierungsvorbehalt bei dem anstehenden Bundesteilhabegesetz und den vielen Maßnahmen im NAP nicht akzeptabel. Die „Schwarze Null“ im Bundeshaushalt darf nicht wichtiger als die Menschenrechte sein. Bentele nannte dann einige Defizite, unter anderem im Wahlrecht oder bei der Durchsetzung von Rechten von Frauen und Kindern mit Behinderungen sowie der Beteiligung der Betroffenen in allen Ministerien.

Assistenz auch fürs Ehrenamt

Nach Auffassung von Dr. Ilja Seifert, Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland (ABiD) und Sprecher des Deutschen Behindertenrates, reicht es zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nicht, nur den (mangelhaften) Aktionsplan der Bundesregierung zu erfüllen. Maßstab bei der Umsetzung sind die Forderungen aus der Konvention selbst. In seinen weiteren Ausführungen bekräftigte er noch mal seine Forderung nach Assistenzleistungen zur umfassenden Teilhabe am Leben der Gesellschaft einschließlich der Arbeit im Ehrenamt. Auch für Menschen, die keine wirtschaftlich verwertbaren Leistungen bringen können, gelten die Menschenrechte. Und eine wirkliche Beteiligung der Behindertenselbsthilfe bedarf auch einer institutionellen Förderung.

Freiwilligkeit behindert

Für Dr. Valentin Aichele, den Leiter der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention, ist es schon ein Fortschritt, dass wir erkennen, noch weit von der Inklusion entfernt zu sein. Bei der Umsetzung der UN-BRK müssen auch die privaten Institutionen und Unternehmen endlich in die Pflicht genommen werden – Freiwilligkeit ist auch behindernd. Ungenügend sind aus seiner Sicht die Empfehlungen des UN-Fachausschusses berücksichtigt worden.
Viele konkrete Vorschläge und Anmerkungen gab es dann in den 18 thematischen Foren, so zumindest der Eindruck des Autors aus den selbst erlebten Runden und den Gesprächen mit Freunden am Ende der Konferenz.
Bleibt abzuwarten, inwieweit die Inklusionstage zu wirklichen Veränderungen am Arbeitsentwurf des NAP 2.0 führen oder ob auch diese Konferenz nur eine teure Alibiveranstaltung war.