Mehr Teilhabe, weniger Barrieren

von: Berliner Behindertenzeitung

BA

Unter dem Titel „Mehr Teilhabe, weniger Barrieren“ hat die Bundesregierung folgende Pressemeldung veröffentlicht:

In allen Bereichen des Lebens sollen Menschen mit Behinderungen selbstverständlich dazugehören – für diese Inklusion setzt sich die Bundesregierung ein. Vor allem das Bundesteilhabegesetz sorgt für mehr Selbstbestimmung und Teilhabe. Und doch bleibt noch einiges zu tun.

Teilhabe, Selbstbestimmung, Barrierefreiheit – diese Themen stehen im Fokus der Politik für Menschen mit Behinderungen. In Deutschland lebten Ende 2015 rund 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen – das sind 9,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Inklusion heißt: Sie sollen gleichberechtigt in der Mitte der Gesellschaft stehen. Dazu gehört, dass sie ihren Wohnort selbst wählen, ihre Begabungen entfalten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können.

Vieles wurde auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft schon erreicht – nicht zuletzt aufgrund engagierter Bürger, die Inklusion ganz selbstverständlich leben.

Fortschritte und bleibende Aufgaben

Anfang 2017 hat die Bundesregierung ihren Teilhabebericht vorgelegt. Er zeigt, in welchen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen sind, wo aber auch noch Aufgaben zu bewältigen sind.

Positiv: Vorschulkinder werden heute zu mehr als 90 Prozent inklusiv betreut. Zudem erreichen immer mehr junge Menschen mit Beeinträchtigung einen beruflichen Abschluss. 

Ebenfalls erfreulich: Immer weniger Betroffene leben in stationären Einrichtungen. Ambulant betreute Wohnformen nehmen zu. Dennoch: Mehr Barrierefreiheit zu schaffen ist eine dauerhafte Aufgabe. Dies gilt auch für den Kampf gegen die häufigere Arbeitslosigkeit von Menschen mit Schwerbehinderung.

Inklusion in allen Lebensbereichen verankern

Der besseren Umsetzung von Rechten für Menschen mit Behinderung dient die Neuauflage des Nationalen Aktionsplans zur UN-Behindertenrechtskonvention – kurz NAP 2.0. Er enthält ein umfassendes Maßnahmenbündel mit dem Ziel, Inklusion in allen Lebensbereichen fest zu verankern.

Der NAP 2.0. setzt auf den ersten Aktionsplan aus dem Jahr 2011 auf. Er enthält 175 Maßnahmen in 13 Handlungsfeldern. Ein Schwerpunkt ist die Förderung der beruflichen Teilhabe.

Der Ausgleichsfonds für beschäftigungspolitische Programme wird dafür in den nächsten Jahren rund 230 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Spezifische Integrationsprojekte werden als Leuchttürme eines inklusiven Arbeitsmarktes mit zusätzlichen 150 Millionen Euro unterstützt.

Der Abbau von Barrieren im öffentlichen Bereich ist ein Schwerpunkt des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Dies sowohl mit Blick auf Gebäude als auch in der  Informationstechnik. Mit der Neufassung des Gesetzes wurde zudem die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit eingerichtet. Sie berät vor allem Behörden bei der Umsetzung baulicher Verbesserungen. 

Neu ist auch eine Schlichtungsstelle. Sie kann kostenfrei eingeschaltet werden, wenn sich Menschen mit Behinderung in ihren Rechten aus dem BGG verletzt sehen. Angesiedelt ist sie bei der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Paradigmenwechsel Bundesteilhabegesetz

Ein Meilenstein für mehr Inklusion ist das 2017 beschlossene Bundesteilhabegesetz. Dessen Philosophie: Heraus aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe – hin zu mehr Selbstbestimmung. Betroffene können künftig etwa selbst entscheiden, ob sie länger in der eigenen Wohnung leben möchten. Außerdem wird die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgeführt. Leistungsempfänger können einen höheren Anteil von ihrem Einkommen behalten und müssen weniger offenlegen.

Das Bundesteilhabegesetz sieht ab 2018 ein bundesweites „Budget für Arbeit“ vor. In allen Bundesländern können Arbeitgeber dann Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75 Prozent erhalten. Das erleichtert Menschen mit Behinderung den Zugang zum Arbeitsmarkt und eröffnet Alternativen zur Beschäftigung in Werkstätten.

Durch zahlreiche Neuregelungen verleiht das Teilhabegesetz den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung mehr Gewicht. Sie werden auch in die Umsetzung des Gesetzes einbezogen. Für jede 

Maßnahme wurden eigene Beteiligungsformen gefunden, damit die Betroffenen sowie ihre Verbände auf bestmögliche Weise eingebunden werden.

Inklusionspreis würdigt Best-Practice-Beispiele

Jenseits der Gesetzgebung findet Inklusion schon an vielen Orten und in vielen Betrieben konkret statt. Darauf macht beispielhaft der Inklusionspreis für die Wirtschaft aufmerksam. Die Schirmherrschaft hat auch für die aktuelle Ausschreibung die Bundesministerin für Arbeit und Soziales übernommen. Der Preis zeige jedes Jahr eindrucksvoll, „dass Menschen mit Behinderung zum Unternehmenserfolg beitragen können“, so Andrea Nahles. 

Ab sofort können sich Betriebe mit beispielhaften Maßnahmen zur Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung bewerben. Die Frist für den Inklusionspreis 2018 läuft noch bis zum 15. Oktober 2017.

Ende der Pressemeldung.

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Dominik Peter, Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands.

Stellungnahme des BBV

Hierzu meint Dominik Peter, Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands: „Diese Pressemeldung zeigt deutlich auf, in welcher Blase die Bundespolitiker schweben“.

Hierzu benennt Dominik Peter zwei Beispiele:

Budget für Arbeit: „Welche Schwachstellen das Budget für Arbeit hat, haben wir in einem Artikel herausgearbeitet, der zu sehr viel Resonanz führte. Fazit: Altersarmut bleibt vorprogrammiert. Es bleibt  vielmehr abzuwarten, ob das Budget für Arbeit nicht doch zum Rohrkrepierer wird“, so Dominik Peter.

Behindertengleichstellungsgesetz: „Hier kann nur konstatiert werden, dass ohne eine Verpflichtung des privaten Sektors, tatsächlich Barrierefreieheit nicht umgesetzt werden kann. Daher ist es blanker Hohn, wenn suggeriert wird, dass mit dem Behindertengleichstellungsgesetz tatsächlich mehr Barrierefreiheit erreicht wird. Den behinderten Menschen, die auf Barrierefreiehit angewiesen sind, nützt es wenig, wenn Bundesbauten schwellenlos sind. Der Bäcker, der Frisör, die Arztpraxis, die Bankfiliale und die Apotheke um die Ecke müssen stufenlos erreichbar sein. Nur das ist echte Teilhabe“, so Dominik Peter.