Mit Gummibärchen zu Madame Tussauds

Ein London-Abenteuer mit Hindernissen

von: Berliner Behindertenzeitung

 

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Werner Knobloch in London.

Vor einigen Tagen flatterte ein Schreiben auf den Redaktionstisch:

 

Liebe Redakteure der Berliner Behindertenzeitung! Ich habe einen Artikel über eine Kurzreise nach London geschrieben. Da ich noch nie geflogen war und bisher keinen Kontakt zu privaten Reiseanbietern hatte, wollte ich anderen Rollstuhlfahrern von meinen Erfahrungen berichten.

Mit besten Grüssen

Werner Knobloch

 

Erfahrungen unserer Leser sind der Redaktion immer wichtig, deshalb hier der Reisebericht.

 

 

 

 

 

 

 

 

In den letzten Jahren bin ich nur in Deutschland verreist. Ich bin über die Fürst-Donnersmarck-Stiftung nach Bad Bevensen und Rheinsberg gefahren. Bad Bevensen war eher eine Reise für „Ältere“ – sehr brav und gemütlich. Dieses Jahr nun bot mir eine Pflegeassistentin an, mal nach London zu fliegen. Damit habe ich mit keiner Silbe gerechnet. Ich wusste vom Fernsehen viel über London, auch dass die Autofahrer dort links fahren, aber dass ich selbst mal nach London reisen würde, damit habe ich niemals gerechnet. Das war ein Wunschtraum von mir, wie ein Prospekt, das im Regal liegt. Meine Pflegeassistentin hat 10 Jahre in London gelebt. Sie hat mir viel von der Stadt erzählt und meinte: „Lass uns doch fliegen! Mach doch mal mit!“

Erst dachte ich, die Reise bleibt ein Wunschtraum, weil es ja in London bestimmt kein Hotel für Rollstuhlfahrer geben würde, die einen Kranlifter benötigen. Aber dann haben wir im Internet auf den Seiten eines Reiseanbieters das Hotel „Holiday Inn“ gefunden, welches rollstuhlgerechte Zimmer mit Lifter anbietet. Über das Reisebüro buchte ich eine Kurzreise mit 3 Übernachtungen, die Hin- und Rückflüge sowie den Transfer vom Flughafen zum Hotel.

Die Flüge mit Germanwings haben sehr gut geklappt. Ich durfte am Flughafen in meinem Pflegerollstuhl so lange sitzenbleiben, bis mich die Flughafenmitarbeiter in einem Faltrollstuhl ins Flugzeug gehoben haben. Der Flug ging ganz schön auf die Ohren. Aber das Gute daran war, dass wir alle Gummibärchen bekamen. In London Stansted angekommen, empfing uns gleich der Fahrdienst, so eine Art „Telebus“, der uns ins Hotel brachte. London ist eine tolle Stadt! Wir haben bei einer Stadtrundfahrt („Hopp on – hopp off“) mitgemacht.  Alle neuen Stadtrundfahrtenbusse in London sind rollstuhlgerecht! Schade, dass es so etwas in Berlin nicht gibt. Da schläft Berlin noch! Auch in das Riesenrad („London Eye“) bin ich mit dem Rollstuhl prima hineingekommen. Eine Rampe, wie bei der Berliner U-Bahn wurde angelegt und ich konnte in die Gondel reinfahren. Das Riesenrad drehte sich ganz langsam, so dass einem nicht schlecht wurde. So eine Attraktion könnte sich Berlin als Weltstadt ruhig auch leisten! London habe ich mir auch vom Wasser aus angesehen. Es gab dort barrierefreie Schiffe mit Fahrstuhl zum Außendeck, wie bei der „Havelqueen“ in Berlin-Tegel. In den 3 Tagen in London waren wir bis spät in der Nacht unterwegs. Bei „Madame Tussauds“ habe ich mich mit den Beatles fotografieren lassen, im Transportmuseum stand ich vor den alten Bussen und auch mit der Londoner U-Bahn bin ich mitgefahren. Auch das Shoppen kam nicht zu kurz. Unsere Taschen und Beutel waren gefüllt mit englischen Keksen, T-Shirts und anderen Mitbringseln.

Aber es gab auch einige Wermutstropfen auf der Reise: Das Reisebüro buchte den Aufenthalt nicht direkt beim Hotel, sondern über ein spanisches Reiseunternehmen. Mündlich hatte man mir immer zugesichert, dass ich im Hotel ein Zimmer mit Deckenliftersystem bekomme. Aber das Hotel verfügte gar nicht mehr über ein Deckenliftersystem! Es konnte ein Kranlifter ausgeliehen werden, der aber für mich nicht reserviert wurde. So musste ich mir vor Ort einen Lifter mit einem anderen Hotelgast teilen, was sehr anstrengend und nervenaufreibend war. Ich empfehle also jedem, der eine große Reise plant: Verlasst Euch nicht auf mündliche Zusicherungen! Am besten, man fragt selbst im Hotel nach. Die Reisebedingungen solltet Ihr ganz genau lesen. Ich hatte bei der Anmeldung das Liftersystem in die Spalte „unverbindliche Wunschleistungen“ eingetragen. Damit hat sich das Reiseunternehmen im Nachhinein herausgeredet und ich bekam nur eine kleine Entschädigung. Aber ich habe das Beste draus gemacht und spare schon für ein Londonabenteuer im nächsten Sommer. Diesmal werde ich aber die Flüge und die Hotelübernachtungen privat buchen.

 

Hotel „HolidayInn“

London Bloomsbury

Coram Street