Man merkt es deutlich: Die Politik ist aus Ihrer Sommerpause zurück und Aktenberge und Vorlagen wurden bearbeitet. Einige wichtige Punkte – aus dem Blickwinkel der Berliner Behindertenpolitik – stellen wir vor.
Barrierefreiheit
Alexander Spies, Sprecher für Behindertenpolitik der Berliner Piratenfraktion, fragte nach: „Während die Internetseiten der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen oder Bremen bereits auf Barrierefreiheit achten, denkt der Berliner Senat noch darüber nach. Sechs Jahre nachdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft ist, plant der Senat noch, anstatt endlich Barrierefreiheit umzusetzen. Vor allem gehörlose Menschen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten haben es schwer sich auf den Seiten der Behörden, berlin.de, zurechtzufinden. Sie sind auf Gebärdensprache oder auf die so genannte Leichte Sprache angewiesen, eine einfache Sprache ohne komplizierte Sätze“. In einer Schriftlichen Anfrage (Drucksache 17 / 16 893) erklärt der regierende Bürgermeister nun, dass das Land Berlin nur auf den rund 150 Einstiegsseiten der Behörden Inhalte auch in Gebärdensprache und Leichter Sprache darzustellen. Dabei soll es sich allerdings nur um wesentliche Angebote der rund 150 Einstiegsseiten handeln. Angesichts dessen, dass Menschen mit Behinderungen mit der UN-Behindertenrechtskonvention seit 2009 das Recht auf barrierefreie Informationen haben, erscheint die anvisierte und sukzessive Umsetzung bis Mitte / Ende 2017 für eine Hauptstadt mit 600.000 Berlinerinnen und Berliner mit Behinderungen, Tendenz steigend, absurd.
Behinderte Mitarbeiter der Berliner Verwaltung warten übrigens weiterhin auf barrierefreie IT-Anwendungen. Daran ändert auch der jetzige Referenten-Entwurf zum „Berliner E-Government-Gesetzt“ leider nichts. Auch hier ignoriert der Senat seine Mitarbeiter mit Behinderungen, da die Informationstechnik der Behörden, bspw. der Justiz, für sehbehinderte Mitarbeiter voller Barrieren
sind. Stattdessen lobt der Senat sich lieber selbst, indem er auf erste
Angebote für die Leichte Sprache im Bereich der Senatsverwaltung für Finanzen verweist. Doch besucht man die Seite, passiert nichts, wenn man auf den Leichte-Sprache-Botton klickt. Lediglich ein Wörterbuch in Leichter Sprache ist vorhanden, welches Begriffe wie Doppelhaushalt einfach erklärt.
In Sachen Technik und Inklusionspolitik hat der Senat erheblichen Förderbedarf. Berlin braucht endlich mehr Barrierefreiheit, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt teilhaben können“.
Einen Link zur Anfrage und der Antwort des Berliner
Bürgermeisters findet sich unter: http://pardok.parlament-berlin.de.
2. Erstattungshöhen des Taxikontos geändert
Wer hätte das gedacht: Der Senator für Soziales, Mario Czaja (CDU) erhöht die Pauschalen, die Nutzer des Taxikontos abrechnen können. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Erhöhung rückwirkend zum 01. Juli 2015 in Kraft tritt. Die Erhöhung beträgt 15 Euro (von 110 auf 125 Euro). Begründet wird die Erhöhung mit der Einführung des Mindestlohns, der seit dessen Einführung nunmehr auch für das Taxigewerbe gilt. Infolge dessen, hatte der Senat einer Anhebung der Taxitarife zugestimmt. Eigentlich eine feine Sache. Doch dies sieht Dominik Peter, Vorsitzender des Berliner Behindertenverbandes etwas anders: „Ich hätte es sozialer gefunden, statt einer Erhöhung der Erstattungsbeträge, die Eigenbeteiligungspauschalen zu senken. Nutzer des Taxikontos erhalten ja nur die Beträge erstattet, die oberhalb der Eigenbeteiligungspauschalen von 20 Euro bzw. 40 Euro liegen. Die hohen Eigenbeteiligungen halten doch viele Menschen davon ab, das Taxikonto überhaupt zu nutzen. Die Mehrkosten von 68.000 Euro für das zweite Halbjahr 2015 wären viel sinnbringender genutzt, würden man mehr Menschen die Taxinutzung durch eine Senkung der Eigenbeteiligung ermöglich. Zudem bleibt abzuwarten, ob die Mehrkosten für die kommenden Haushaltsjahre dementsprechend auch erhöht werden“.
3. „Piss in“ in Moabit
Unter diesem Namen hatte der Abgeordnete Alexander Spies (Piraten) eine Anfrage an den Senat gestellt. Grund der Anfrage: Der Inhaber der Arminiusmarkthalle in Moabit weigert sich, behindertengerechte Toiletten einzubauen. Siehe hierzu auch die Ausgabe ??? der Berliner Behindertenzeitung. Die Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Anmkg. der Redaktion: dessen Senator Andreas Geisel (SPD) ist) zitieren wir hier auszugsweise.
Frage 1: Wie stellt der Senat sicher, dass der Markt-hallenbetreiber der Arminiusmarkthalle in Moabit roll- stuhlgerechte Toiletten einbaut, was baulich möglich wäre, und Rollstuhlfahrer nicht länger diskriminiert?
Antwort zu 1: Die Arminiushalle liegt im Rechtsbereich des Bezirksamtes Mitte.
Der Senat sieht grundsätzlich bei Umnutzung einer Verkaufsstätte in eine Versammlungsstätte den Bedarf eines Genehmigungsverfahren gem. § 65 Bauordnung für Berlin (BauO Bln). Die Belange der Menschen mit Behinderung sind zu berücksichtigen. Bei einmaligen Veranstaltungen kann hier noch Ermessen ausgeübt werden, soweit diese Umnutzungen erkennbare Regelmäßigkeit haben aber nicht mehr.
Der Senat ist im Rahmen von Beschwerden sowie der Aktion „Piss in“ gemeinsam mit dem Bezirk aktiv geworden, um diesen Grundsatz auch in der Arminiushalle umzusetzen.
Derzeitig werden nach Aussage des Bezirksamts (BA) Mitte rechtliche Prüfungen dazu angestellt. Die Ergebnisse sind noch nicht bekannt.
Frage 2: Hat der Senat Kenntnis darüber, ob die Kosten für den Einbau rollstuhlgerechter Toiletten wirklich unzumutbar sind?
Antwort zu 2: Eine konkrete Überprüfung zur finanziellen Zumutbarkeit liegt dem Senat nicht vor. Nach gemeinsamer Besichtigung vor Ort durch Vertreterinnen und Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und des BA Mitte werden räumliche und finanzielle Möglichkeiten als machbar angesehen.
Frage 3: Was kann der Senat tun, um die von vielen Berliner Behindertenorganisationen beanstandeten Missstände der fehlenden Toiletten zu beheben, um der Verpflichtung nachzukommen, für die gleichwertigen Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung zu sorgen?
Antwort zu 3: Allgemeine Missstände zu fehlenden barrierefreien Toiletten sind dem Senat nicht bekannt. Seit Jahren werden in Umsetzung von Gesetzen und Standards barrierefreie Toiletten in Neubauten bzw. bei Umbauten erstellt. Ebenso werden z.B. selbst bei Betreiberwechsel von gastronomischen Einrichtungen entsprechende Forderungen gestellt. Bei Bekanntwerden von zu beanstandenden Missständen geht der Senat im Rahmen seiner Zu- ständigkeit diesen Fällen nach.
Frage 4: Bewertet der Senat Denkmalschutz höher als das in der UN-Behindertenrechtskonvention formulierte Recht auf gleichberechtigte Teilhabe?
Antwort zu 4: Der Senat bewertet Denkmalschutz und Barrierefreiheit gleichrangig. Die gesetzlichen Grundlagen stehen auf gleicher Stufe. Daher sind Lösungen im Einzelfall angemessen hinsichtlich beider Forderungen zu entwickeln. Betroffene sollen daher besonders bei denkmalgeschützten Projekten in die Planung einbezogen werden.


