
Die UN-Behindertenrechtskonvention und die Diskussion um ein Bundesteilhabegesetz ziehen sich wie ein roter Faden durch die aktuelle Behindertenpolitik im Bund und auch im Land Berlin. Davon zeugen nachfolgende Informationen.
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit einen Leitfaden zur Einbeziehung der Belange behinderter Menschen in die Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Vorhaben der Bundesministerien. Das schreibt sie in ihrer Antwort (Drucksache 18/4397) auf eine Kleine Anfrage mit 36 Einzelfragen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zur „Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland“. Der Leitfaden werde unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) unter Mitarbeit der Schwerbehindertenvertretungen der Bundesministerien erarbeitet und solle dazu beitragen, frühzeitig zu erkennen, ob und gegebenenfalls welche Folgen für Menschen mit Behinderungen im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen zu erwarten seien. Er soll voraussichtlich im dritten Quartal 2015 vorliegen, heißt es in der Antwort.
Partizipation und Teilhabe
Über „Kriterien und Standards für die Partizipation von Menschen mit Behinderungen und ihren Selbstvertretungsorganisationen“ erkundigt sich die Bundestagsfraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage“. Die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, ob die Bundesregierung die Notwendigkeit sehe, den Begriff „participation“ in den deutschsprachigen Debatten um die UN-Behindertenrechtskonvention als Partizipation zu übersetzen. Zudem fragen sie nach Kriterien und Standards, die es für die Partizipation der Selbstvertretungsorganisationen gebe und ob die Bunderegierung diese für ausreichend halte. In der Antwort (Drucksache 18/4359) verweist die Bundesregierung wieder auf den in Arbeit befindlichen Leitfaden (s.o.). Laut der Drucksache versteht die Bundesregierung „Teilhabe“ als übergeordneten Begriff, der sowohl in der deutschen Rechtsordnung als auch im allgemeinen Sprachgebrauch fest verankert ist. „Partizipation“ wird hingegen als Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen verstanden.
„Vergessene“ Heimkinder
In der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 26. März wurde der Antrag der Piratenfraktion (Drucksache 17/2163) „Ehemalige Heimkinder mit Behinderungen und Gewalterfahrungen entschädigen – Einrichtung eines Fonds jetzt!“ diskutiert und zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Eigentlich ist man sich parteiübergreifend einig: Gerade die Heimkinder mit Behinderungen wurden in den in den vergangenen Jahren geschaffenen Regelungen zur Entschädigung für Missbrauch und Gewalt vergessen“. Ein unsäglicher Zustand, über den nun schon seit Jahren debattiert wird. Zum gleichen Thema stellte der Abgeordnete Joachim Krüger (CDU) eine schriftliche Anfrage. In der Antwort des Senats (Drucksache 17/15878) verwies Staatssekretär Dirk Gerstle (CDU) auf das Bemühen des Senats, gemeinsam mit den anderen Bundesländern statt einer auch von den Kirchen vorgeschlagenen Fondslösung eine geeignetere Lösung für misshandelte schwerbehinderte Heimkinder zu finden.
Lob für Sonderfahrdienst
Für die „Leistungen des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen an den Feiertagen im Dezember 2014“ interessierte sich die behindertenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Elke Breitenbach. Mit zahlreichen Zahlen und Fakten antwortete Staatssekretär Dirk Gerstle auf die 11 Fragen (Drucksache 17/15794). Die durchschnittlichen Beförderungszahlen lagen in 2014 an den Feiertagen bei rund 430 Beförderungen. Das bedeutet für den Heiligabend nahezu eine Verdreifachung der täglichen Beförderungszahlen. Aus Sicht des Senats sind die Dienstleistungen des Fahrdienstes an den Feiertagen positiv zu bewerten. Die erfolgreiche Bilanz gelang durch mehr Personal in der Regiezentrale und an den Fahrzeugen, rechtzeitige Informationen sowie den Einsatz von Zusatzfahrzeugen inklusive Taxis. Insgesamt wurden 2014 für den Sonderfahrdienst rund 6,6 Millionen Euro ausgegeben.
Armut in Berlin
In einer weiteren Anfrage beschäftigt sich die Abgeordnete Elke Breitenbach mit dem Thema „Altersarmut in Berlin?“. Auch hierzu lieferte Staatssekretär Gerstel umfangreiche Zahlen und Statistiken (Drucksache 17/15745). So stieg die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei dauerhaft voller Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch XII (das heißt Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums!) in Berlin von rund 40.000 (= 1,16 Prozent) auf über 73.000 (=2,07 Prozent) im Jahr 2014. In Berlin sind 7,1 Prozent der Bevölkerung ab 65 Jahre armutsgefährdet, bundesweit sind es 11 Prozent. Auch diese Zahlen sind interessant: Von 2000 bis 2014 hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter ab 58 Jahre verdoppelt. Dies liegt aber auch an hohen Steigerungszahlen bei geringfügig Beschäftigten. Keine Erkenntnisse hat der Senat über Rentenzahlungen an Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiteten.
Der Lehmann von der SPD
Neuer „Ansprechpartner für Menschen mit Behinderungen“ in der SPD-Fraktion ist der Pankower Abgeordnete Rainer-Michael Lehmann. Der 54jährige Schriftsetzer lernte und arbeitete bis 1990 in der Druckerei des NEUEN DEUTSCHLANDs und nach kurzer Selbstständigkeit als Bürgerberater in einem Bezirksamt. Von 1987 bis 2010 war Lehmann – seit 2001 Mitglied des Abgeordnetenhauses – in der FDP aktiv, dann wechselte er Partei und Fraktion. Seine Funktion als Integrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion übt er weiterhin aus.
„Berliner Inklusionspreis 2015“ ausgelobt
Seit 2003 vergibt das Land Berlin jährlich den Inklusionspreis an Berliner Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die schwerbehinderte Menschen vorbildlich ausbilden oder beschäftigen. Der Landespreis wird in den Kategorien Kleinunternehmen, mittelständische Unternehmen und Großunternehmen verliehen. Die Preise sind gleichwertig und jeweils mit einer Geldprämie in Höhe von 10.000 Euro dotiert. Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales, und Franz Allert, Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, rufen private wie öffentliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf, sich am Wettbewerb zu beteiligen: „Die Teilnahme am Wettbewerb sichert den Unternehmen die öffentliche Anerkennung, indem sie die ganz individuellen Lösungswege im Sinne erfolgreicher Beschäftigung und Ausbildung von Menschen mit Handicap über ihr eigenes Unternehmen hinaus bekannt machen.“ Die Auszeichnung mit dem Berliner Inklusionspreis 2015 erfolgt im Rahmen eines Festaktes am 30. November 2015 im Wappensaal des Roten Rathauses. Bewerbungsschluss ist der 15. September 2015, Bewerbung sind an das Landesamt für Gesundheit und Soziales – Integrationsamt zu senden.
