Nichts über uns ohne uns!

Für eine Politik mit einem anderen Blick.

von: André Nowak

x„Nichts über uns ohne uns!“ ist seit vielen Jahren eine Forderung der Behindertenbewegung. Inzwischen sind Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen in allen (!) Angelegenheiten, die (auch) sie betreffen und die Teilhabe am politischen Leben durch die UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 4 und 29) in vielen Staaten verbrieftes Recht. Dies zu gewährleisten ist nach dem Gesetz Pflicht des Staates, also auch eine Verpflichtung für das Berliner Abgeordnetenhaus, den Berliner Senat und die Bezirke.
In Berlin gibt es dafür auch verschiedene Gremien, zum Beispiel der Landesbehindertenbeirat und die Behindertenbeiräte in den Bezirken sowie die Behindertenbeauftragten in Berlin und den Bezirken. Eine wichtige Rolle sollen auch die Arbeitsgruppen „Menschen mit Behinderungen“ in den Senatsverwaltungen spielen, um Informationen auszutauschen, Entwürfe für Gesetze, Verordnungen und Konzepte zu beraten und nach entsprechender Beschlussfassung deren Umsetzung zu fördern. Zu der Arbeit dieser Arbeitsgruppen hat nun die für Behindertenpolitik in der Linksfraktion zuständige Abgeordnete Elke Breitenbach vom Senat einige Auskünfte verlangt. Die Antworten von Staatssekretär Dirk Gerstle (CDU) – siehe auch Seite 5 – bestätigten die Bedeutung dieser Arbeitsgruppen, zeigen aber auch zum Teil erhebliche Missstände auf. Manche Arbeitsgruppen tagen regelmäßig, andere sehr selten, obwohl es sicher auch in diesen Senatsverwaltungen genügend Beratungsbedarf gibt.
AnzeigeVöllig unakzeptabel ist, dass es in einigen Senatsbereichen keine Arbeitsgruppen gibt, beziehungsweise diese nur auf dem Papier existieren (Senatskanzlei, Finanzen, Bildung und Jugend, Inneres und Sport). Dabei gibt es in all diesen Bereichen genug dringende Themen, die auch Menschen mit Behinderungen betreffen! Unakzeptabel ist auch, dass die Senatoren und/oder Staatsekretäre nicht an diesen Sitzungen teilnehmen.
Der Berliner Behindertenverband fordert, dass endlich in allen Senatsverwaltungen die Arbeitsgruppen regelmäßig tagen und sie sollten zur „Chefsache“ werden. Hier ist gegebenenfalls auch die „Richtlinienkompetenz“ eines Regierenden Bürgermeisters gefragt. Bei der anstehenden Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) sollten diese Arbeitsgruppen gesetzlich verankert werden.
Frauenpolitik ohne Frauen ist inzwischen bei uns undenkbar. Behindertenpolitik ohne Behinderte schon. Hier muss sich noch einiges ändern. 2016 wird in Berlin wieder gewählt. Vielleicht wird es im Ergebnis dieser Wahlen dann in möglichst allen Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus sowie unter den Senatorinnen und Senatoren, Staatssekretären sowie Bezirksräten auch Menschen mit Behinderungen geben. Für eine Politik mit einem anderen Blick.