Schlechte Noten für die BVG

Die Ergebnisse einer Umfrage des Berliner Behindertenverbandes Umfrage im Detail

von: Lutz Kaulfuß

Unter dem Titel „Die BVG – Barrierefreier ÖPNV in Berlin“ hat der Berliner Behindertenverband e.V. (BBV) eine eigene Online-Umfrage auf der Internetseite der Berliner Behindertenzeitung eingestellt. Zwischen dem 16.12.2016 und dem 14.02.2017 wurde der Fragebogen von über 600 Personen ausgefüllt. Der BBV wollte sich einen Überblick verschaffen, wie es um die Barrierefreiheit bei der BVG bestellt ist und erhielt auf sechs Fragen zu allen wichtigen Bereichen der BVG Antworten aus wirklich berufenen Mündern. Fast alle Teilnehmer der Befragung sind behindert und Dreiviertel sind BVG-Stammkunden. Selbst die kleine Gruppe von 3,7 Prozent aller Befragten, die die BVG nicht nutzt, oder besser gesagt, nicht mehr nutzt, weiß ganz offensichtlich aus eigener Erfahrung, wovon sie spricht, wenn sie etwa angibt, die Nutzung der BVG sei „zu unsicher“ oder „nur mit Begleitperson möglich“. Vor allem diese Zusammensetzung der Teilnehmer verschafft der Umfrage eine große Aussagekraft.

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Die BVG-Busse im Detail

Das barrierefreie Angebot der Busse kam noch besten an. Es wurde immerhin von rund einem Viertel der Teilnehmer durchweg positiv bewertet. 6,3 Prozent vergaben die Note „Sehr Gut“ und 21,5 Prozent die Note „Gut“. Demgegenüber stehen aber am anderen Ende der Skala insgesamt deutlich mehr als ein Drittel aller Befragten, die das Angebot  mit den beiden schlechtesten Noten bewerten. Für 23,4 Prozent der Befragten ist es „Ausreichend“ und für 13,5 Prozent „Mangelhaft“. Während dieses Ergebnis schon kein Grund zum Jubeln ist, fallen die Umfrageergebnisse zu den anderen Transportmitteln weitaus schlechter aus.

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Die U-Bahn landet auf Platz zwei – allerdings weit hinter den Bussen. Hier sticht vor allem ins Auge, dass nahezu die Hälfte der Noten auf die beiden schlechtesten Stufen entfielen: 30,4 Prozent auf „Ausreichend“ und 14,0 Prozent auf „Mangelhaft“.

Richtiggehend katastrophal schneidet allerdings die Straßenbahn ab. Gerade etwas mehr als ein klägliches Zehntel der Befragten bewertet die Tram positiv. 1,4 Prozent vergaben ein „Sehr Gut“ und 9,8 Prozent ein „Gut“. Deutlich mehr als die Hälfte vergab dagegen die beiden schlechtesten Noten. 34,5 Prozent bewerteten sie mit „Ausreichend“ und 20,7 mit „Mangelhaft“.

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Im Rahmen der Umfrage wurde auch danach gefragt, wie Nutzer den Umgang der BVG erleben, wenn Fahrstühle an den U-Bahnhöfen defekt sind. Mütter mit Kinderwagen, Touristen mit Koffern, Berliner mit schweren Einkaufstüten, Senioren – sie genießen gerne den Komfort eines Aufzugs. Doch elementar ist er für all jene Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und auf einen Rollstuhl unabdingbar angewiesen sind. Hier erlebte die BVG ihr Debakel in der Umfrage: Eine überwältigende Mehrheit von 80 Prozent der Befragten bewertete die BVG in diesem Punkt mit den beiden schlechtesten Noten. 21 ,7 Prozent vergaben ein „Ausreichend“ und gar alarmierende 56,7 Prozent ein  „Mangelhaft“.  Die Gruppe der (einigermaßen) Zufriedenen ist denkbar klein. Die Note „Befriedigend“ vergaben 17,8 Prozent der Befragten. Die Note „Sehr Gut“ kreuzte keiner der Befragten an und nur 3,6 Prozent waren der Meinung, dass die BVG hier „Gut“ agiere.

„Hier muss sich die BVG-Vorstandsvorsitzende, Frau Nikutta, schnellstmöglich etwas einfallen lassen,“ fordert Dominik Peter. „Kaputte Aufzüge, die tagelang, manchmal sogar noch länger nicht repariert werden, verhindern schlicht und ergreifend die Teilhabe von Menschen mit Behinderung“.

Konsequenzen der Umfrage

Die Umfrageergebnisse wird der Berliner Behindertenverband nun der BVG überreichen und den Verkehrsbetrieben die Möglichkeit einer Stellungnahme einräumen. Die BVG-Stellungnahme wird dann in einem gesonderten Artikel in der nächsten Ausgabe der Berliner Behindertenzeitung thematisiert.

„Wir werden die Ergebnisse der Umfrage aber auch in unsere Gremienarbeit einfliessen lassen. Das war ja auch der Sinn dieser Umfrage. Der BBV ist zum Beispiel in mehreren Senats-AG´s oder etwa im Fahrgastbeirat“, erklärt Peter. „Außerdem werden wir deswegen auch bei den Regierungsparteien an die Tür klopfen (also SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen; Anm. d. Red.). Schließlich hat die neue Regierung angekündigt, dass sie ein Konzept zur Sicherung der Mobilität von Menschen mit Behinderung erarbeiten will und dazu mit dem Fahrgastbeirat zusammenarbeiten möchte“, so Dominik Peter.

Die „alternativen Fakten“

Kritik übt der Berliner Behindertenverband aber auch am Umgang sowohl von BVG, als auch von der S-Bahn mit den Berliner Behindertenverbänden. Das Verkünden von geradezu `alternativen Fakten´ seitens der beiden ÖPNV-Betriebe sei nicht länger hinnehmbar. „Wenn zum Beispiel Neuheiten vorgestellt werden und die Behindertenverbände in den entsprechenden Gremien daran massive Kritik üben, ist es völlig indiskutabel, wenn BVG und S-Bahn anschließend ganz gezielt den Eindruck erwecken wollen, die neuen Produkte seien sozusagen von den Verbänden abgesegnet worden, nur weil sie in den Gremien vorgestellt wurden“, kritisiert Dominik Peter. „Gegen solche Verdrehungen der Tatsachen werden wir uns künftig wehren“. Siehe hierzu auch den Artikel auf Seite 14 über die neue S-Bahn.

INFOKASTEN: WEITERE UMFRAGEFAKTEN

Zu den Teilnehmern der Umfrage lässt sich folgendes festhalten:

1. Anzahl der Teilnehmer:  Insgesamt nahmen an der Umfrage 606 Personen teil.

2. Geschlecht: Von den 606 Teilnehmern, waren 49,9 Prozent weiblich, 49,6 Prozent männlich und 0,5 Prozent gaben Sonstiges an.

3. Art der Behinderung: Nur sieben Prozent der Teilnehmer gaben an, keine Behinderung zu haben. Dagegen gaben 49,6 Prozent an, mobilitätseingeschränkt zu sein und einen Rollstuhl zu nutzen. Zudem gaben 9,9 Prozent der Teilnehmer an, über eine Sehbehinderung zu verfügen.

4. Nutzbarkeit: 37 Prozent gab an, dass die BVG nicht gut für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste nutzbar ist. Nur 16,6 Prozent fand, dass die BVG gut nutzbar sei.

 

Die BBV-Umfrage im Detail: BBV-Umfrageergebnisse