Als am 29. April 1999 im Berliner Abgeordnetenhaus das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) verabschiedet wurde, das am 17. Mai 1999 in Kraft trat, war dies ein historisches Datum. Nicht nur für die Berliner sondern für die gesamte deutsche Behindertenbewegung. Immerhin war damals Berlin Vorreiter in der Behindertenpolitik. Es war immerhin das erste Bundesland, dass ein derartiges Gesetz verabschiedete. Es war „ein Gesetz, mit dem völliges Neuland betreten wurde und das nicht nur für Berlin, sondern auch bundesweit behindertenpolitisch neue Maßstäbe setzte“, so Martin Marquard, ehemaliger Landesbehindertenbeauftragter von Berlin.
Ein großer Erfolg
Für die emanzipatorische Behindertenbewegung in Deutschland, die auf wenige Jahrzehnte nur zurückblicken kann, war es ein Meilenstein. Ihr waren zahllose Aktionen vorangegangen, an denen sich viele Protagonisten beteiligten. Sie im einzelnen zu nennen, würde hier und jetzt den Rahmen sprengen. Doch wie so oft in der Geschichte, gab es auch hier eine Initialzündung: In den Vereinigten Staaten wurde der „American with Disabilities Act (Kurzform ADA) verabschiedet. Noch heute ist das ADA wegweisend. Andere Länder, wie etwa Kanada oder auch Großbritannien folgten. Auch in Deutschland wurde der politische Kampf um ein derartiges Gesetz entfacht.
Bis dato war die Behindertenszene mehr mit sich selbst beschäftigt. Kritiker meinten sogar, dass man mehr gegen- als miteinander stritt. Richtungsweisend war dann jedoch der sogenannte „Düsseldorfer Appell“ von 1991. Darin wurde unter anderem ein umfassendes Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetz gefordert. Nunmehr war die Zielrichtung klar. Auf Grund des politischen Drucks der Behindertenorganisationen kam der Stein ins Rollen. Hilfreich war dabei auch die 1992 erfolgte Einführung des europäischen Protesttags der behinderten Menschen für Gleichstellung und gegen Diskriminierung, den wir seither am 05. Mai begehen. So auch dieses Jahr.
Ein erster Erfolg auf dem Weg des LGBG war zunächst die Aufnahme eines Benachteiligungsverbots in das Grundgesetz (§3, Abs.3 Grundgesetz: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“). In Berlin folgten weitere Erfolge. Dies waren die Erweiterung des Berliner Schulgesetzes 1990 (§10a), wodurch der gemeinsame Unterricht erstmals verankert wurde oder die 1996/1997 Neufassung des §51 der Bauordnung mit der Verpflichtung zu barrierefreiem Bauen.
Wie saures Bier
Wichtig dabei war: alle jene Fortschritte wurden mit den Betroffenen gemeinsam erarbeitet. Doch trotz der Erfolge, bis zur Verabschiedung des LGBG in Berlin, war es noch ein steiniger Weg. Martin Marquard wurde damals mit den Worten zitiert: „Wir sind mit allen unseren Vorschlägen abgebügelt worden“. Eine andere Protagonistin, Frau Dr. Theben wurde mit den Worten zitiert: „… Seit ungefähr einem Jahr unseren Gesetzesentwurf wie sauer Bier bei der Senatorin angeboten“.
Doch irgendwann musste die Politik nachgeben und das sauer gewordene Bier trinken. 1999 war es dann soweit und Berlin verabschiedete als erstes Bundesland ein LGBG. 2001 folgten Sachsen-Anhalt und 2002 der Bund. Zuletzt 2008 Niedersachsen. Aus diesem Grund wird die Berliner Behindertenzeitung diverse Zeitzeugen in den kommenden Monate hierzu zu Wort kommen lassen.