
Stellvertretende BBV-Vorsitzende Petra Mach (vierte von links) bei der Erstunterzeichnung der Charta. Foto: Landesarchiv Berlin · Platow
BBZ-Interview mit dem Vorsitzenden des Berliner Behindertenverbandes, Dominik Peter, über eine mögliche Olympiabewerbung.
BBZ: Interessiert sie Sport eigentlich?
Dominik Peter: Na klar. Was die wenigsten wissen, ich war selbst einmal Hochleistungssportler. In den 80er Jahren war ich rund acht Jahre lang in der BRD Schwimmnationalmannschaft und nahm unter anderem an Europa- und Weltmeisterschaften teil. Und an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Das hat mich bis heute geprägt. Ich schwimme noch heute leidenschaftlich gerne, allerdings nur noch in meinem Urlaub. Mehr Zeit bleibt dafür nicht mehr.
BBZ: Wie ist Ihre Einstellung zu einer möglichen Olympiabewerbung von Berlin?
Dominik Peter: Ich sehe, wie auch einige Vorstandskollegen des BBV, die Vorteile in einer Austragung der Spiele. Weshalb ich mich auch bereits früh eingebracht habe. Als die „Berliner Charta für Olympische und Paralympische Spiele“ letzten November ausgearbeitet wurde, habe ich aktiv daran mitgewirkt. Wenn man die Charta ernst nimmt und so auch umsetzen würde, kann das Berlin erheblich voranbringen.
BBZ: Mit welchen Resultat haben sie sich bei der Charta eingebracht?
Dominik Peter: Dass in die Charta ein klares Bekenntnis zu inklusiven Spielen und umfassender Barrierefreiheit aufgenommen wurde. Davon stand anfänglich wenig drin. Nebenbei: Der Berliner Behindertenverband ist Erstunterzeichner der Charta. Was ich toll finde.
BBZ: Na ja, wer Paralympics ausrichten will, sollte doch inklusive Spiele wollen, oder? Schließlich muss der Ausrichter, der den Zuschlag erhält, auch die Paralympics ausrichten.
Dominik Peter: Ja, der Ausrichter muss, beziehungsweise darf beide Spiele ausrichten. Was ich aber meine ist die Tatsache, dass die Charta nunmehr einen wirklich wegweisenden Charakter hat. Ich nenne ein Beispiel: Dass das Olympische- und Paralympische Dorf als zukunftsweisendes barrierefreies Stadtquartier mit bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden soll, habe ich eingebracht (Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu den Wortlaut der Charta). Darauf bin ich auch mächtig stolz, denn es hängt die Messlatte sehr, sehr hoch und alle Berliner Regierungen werden gegenüber dieser Charta verpflichtet sein. Sofern Berlin überhaupt zum Zuge kommt.
BBZ: Was sagen Sie jenen Berlinern, die gegen eine Olympiabewerbung sind?
Dominik Peter: Ich habe Verständnis für eine ablehnende Haltung. Auch im Berliner Behindertenverband gibt es Mitglieder, die keine Olympiabewerbung wünschen. Selbst im Landesbehindertenbeirat, der sich kürzlich auch für eine Olympia-Bewerbung aussprach, gab es Gegenstimmen. Zu oft haben sich Austragungsstädte in immense Schulden gestürzt. Bestes Beispiel ist Athen oder auch Sydney. Wenn wir nicht aus den Fehlern anderer Austragungsstädte lernen, wäre das fatal. Ich denke aber, wir können es besser und vor allem zukunftsweisender. Natürlich ist es eine Herkulesaufgabe. Sie ist auch nur dann zu meistern, wenn der Bund sein Scherflein beisteuert. Aber der Impuls, der von einer Austragung der beiden Spiele ausgehen würde, ist nicht zu unterschätzen und würde Berlin sicherlich in vielen Bereichen weiterbringen können.
BBZ: Ein Impuls für die Stadt – Sie glauben wirklich daran?
Dominik Peter: Ja, das tue ich. Aber nur wenn ein solches Projekt auf allen Ebenen vorbehaltlos unterstützt und transparent umgesetzt wird. Ich glaube, Berlin hat aus dem Flughafenfiasko seine Lehren gezogen. Das ist für ein mögliches Mammutprojekt Olympia und Paralympics sicherlich auch hilfreich. Ich bin eben ein positiv denkender Mensch.
BBZ: Sie verwendeten vorhin das Wort „zukunftsweisend“. Was meinen sie damit genau?
Dominik Peter: Ganz einfach. Wir sollten daraus eine einmalige Chance für Berlin erwachsen lassen. Wir könnten einen Stadtteil – das Olympische – beziehungsweise das Paralympische Dorf komplett barrierefrei entstehen lassen. Das wäre zukunftsweisend. Dadurch könnte man übrigends das immense Problem angehen, welches wir in Berlin bereits haben: Es fehlen mannigfach barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen, die zudem bezahlbar sind. Angeblich fehlen heute schon über 41.000 barrierefreier Wohnungen. Vom demografischen Wandel möchte ich gar nicht erst sprechen.
Hier widerspreche ich auch klar dem Senator für Stadtentwicklung, Andreas Geisel. Herr Geisel glaubt, mit 25 Prozent barrierefreier Wohnung sei das Ziel im Olympischen- bzw. Paralympischen Dorf erreicht. Nein, es müssen 100 Prozent sein – nur das ist vollständige Teilhabe und Inklusion im Sinne der UN-BRK und der bereits erwähnten Charta. Dafür treten wir vom BBV ein.
Auch die Infrastruktur – und dabei denke ich nicht nur an die Sportstätten – ist alles andere als komplett behindertengerecht. Auch hier könnte die Stadt durch die Bewerbung einen großen Sprung nach vorne machen.
BBZ: Ich danke für das Gespräch.
Zur „Berliner Charta“ geht es hier: Berliner Charta.