Wissenschaft als Verbrechen

Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung wird am 3. Dezember jedes Jahr gefeiert. Aus diesem Grund veröffentlichen wir diesen Text.

von: Rainer Thiemann

Am 5.Nov. 1947 fertigt der Generalstaatsanwalt in Stuttgart
einen Aktenvermerk. Die US-Behörden hätten vertraulich
berichtet, dass in Blaubeuren ein Dr. Irmfried Eberl lebe. Er
werde verdächtigt, jener Dr. Eberl zu sein, der die Vergasungs-
anstalt Bernburg/Saale  geleitet habe.
Der Blaubeurer Polizist Söll hat Eberl am 8.Januar 1948 in
seiner Praxis verhaftet und nach Ulm überführt.
Mehrere ehemalige Mitarbeiter identifizierten ihn, nachdem er
wochenlang bestritten hat, der gesuchte Dr. Eberl zu sein. Am
16. Februar 1948 erhängt sich Eberl in Zelle 7 der Ulmer
Haftanstalt.

Am 17.10.1939 nehmen im Gasthof des Landgestüts Marbach
7 Fremde aus dem fernen Berlin Quartier und trägen sich im
Fremdenverzeichnis unter falschem Namen ein.

Im Herbst 39 ist im Gasthof des Landgestüts Marbach wenig
los. Pächter Eisenschmidt arbeitet im nahegelegenen Münsingen
im Kolonialwarengeschäft, die Wirtschaft wird von seiner Frau
geführt. Am 17.10. nehmen jedoch gleich 7 Fremde Quartier.
Sie kommen in geheimer Mission aus dem fernen Berlin. Einige
tragen sich unter falschem Namen im Fremdenverzeichnis ein.
Angeführt wird das Berliner Kommando von Himmlers früherem
Chauffeur Viktor Brack. Er ist nun SS-Standartenführer und –
Oberdienstleiter in der „Kanzlei des Führers‘, in Berchtesgaden,
die seit Monaten den Massenmord von Kranken und
Behinderten, die „Euthanasie“,  plant.
Zu Bracks Kommando. gehört der ehemalige Laufbote Kurt
Franz, der zuvor im KZ Buchenwald Wache geschoben hat als
SS-Rottenführer. Nur 3 Jahre später wird er zum
stellvertretenden Kommandanten von Treblinka aufsteigen.
Brack und seine Leute inspizieren Schloss Grafeneck, ein
kurz zuvor geräumtes „Krüppelheim“. Es wird zur ersten
Vergasungsanstalt im 3.Reich umgebaut Die Vergasungen
beginnen am 18.Januar 1940.
Die Gestütswirtschaft profitiert von Grafeneck- denn sie wird die
Stammkneipe der Krankenmörder. Ein Beschäftigter des
Landgestüts vermerkt „Es fiel auf, dass die beladenen
Omnibusse vor der Wirtschaft öfters noch Halt machten“. Vor
der Vergasung kippen die Mordhelfer schnell noch“Bier und
Schnaps“.
Die Ermordung der Opfer geschieht in Grafeneck und den
nachfolgenden Anstalten nach derselben Methode:
Jeder ankommende Transport wird sofort vergast. Den
Menschen wird gesagt, es gehe zum Duschen.

Die Nackten werden von einem Arzt beschaut. Wer
Zahngold hat, bekommt ein Kreuz auf Brust oder
Rücken.
Ehe es in die Gaskammer geht, werden die Opfer fotografiert –
zu pseudowissenschaftlichen Zwecken. Sind die Menschen tot,
wird das Zahngold herausgebrochen. Danach werden die Leichen
zu mehreren verbrannt und die Asche auf Urnen verteilt
Aus Versehen gehen den Angehörigen hin und wieder 2 Urnen
zu. Der Tarnung der Morde ist dies nicht gerade dienlich.

Die Scheinfirma .Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung
von erb-und anlagebedingten schweren Leiden“ besorgt die Tötung
behinderter Kinder.

Dabei hatte die „Kanzlei des Führers“ zur Tarnung eigens eine
Dienststelle in der Berliner Tiergartenstraße gegründet, unter dem
Kürzel :“T4“. Die einzelnen Abteilungen von T4 arbeiten als
Scheinfirmen. So werden z.B. die Transporte von einer
„Gemeinnützigen Kranken Transport GmbH“ organisiert.
Ein “ Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb-
und anlagebedingten schweren Leiden“ besorgt die Tötung behinderter Kinder.
Später wird noch eine „Zentralverrechnungsstelle Heil- u.
Pflegeanstalten“ gegründet, die alle „Sterbefälle“ auf Mark und
Pfennig abrechnet. Ein Millionenbetrug: Man kassiert angebliche
Pflegegelder für längst getötete Patienten. Gewinne aus dem
Massenmord werden an den Reichsschatzmeister der NSDAP
abgeführt.

Viele der Opfer sind nicht wie Schafe zur Schlachtbank in die
Gaskammer gegangen. Sie wehren sich verzweifelt, schreien,
flehen um ihr Leben. Ihr Tod Ist qualvoll: 75 Menschen und
mehr werden in einen Raum von etwa 3 x 4 Meter gepresst.  Die
Leichen liegen im Todeskampf ineinandergekrallt, voller Urin, Kot
und Regelblut.

In einer katholischen Pflegeanstalt nahe Salzburg, die sich gegen
die Abtransport der Pfleglinge wehrte, wurde die Opfer im Bus
abgespritzt . Viele waren bei der Abfahrt am Pflegeheim tot.

Zur Ermunterung des Personals, werden Vorträge über die
Notwendigkeit der Tötungen gehalten. Betriebsausflüge mit den
Bussen, mit denen sonst die Kranken zur Vergasung
herangeschafft werden, dienen der Geselligkeit. Die Ausflugsziele
sind entsprechend: ein nahegelegenes KZ, oder die nächste
Vergasungsanstalt. Auch Massenmord kann zu etwas Alltäglichem
werden.

In Grafeneck wie in Hadamar wird die zehn-
tausendste Leiche mit Blasmusik, Ansprachen und
Besäufnis gefeiert. Ein Leichenverbrenner  trat  dabei
im Talar auf.

Wie die Grafenecker Schwester Kneißler nach dem Krieg
berichtete, gab es in Grafeneck, wie in der Anstalt Hadamar
eine Hauskapelle. In beiden Anstalten wird die zehntausendste
Leiche mit Blasmusik, Ansprachen und Besäufnis gefeiert. Die
ehemalige Pflegerin  Simon erinnerte sich 1963 an die Feier in
Grafeneck: ein Leichenverbrenner trug einen Talar und es
spielte eine Blaskapelle.
Vergasungsarzt Dr. Georg Renno, NSDAP-Mitglied seit 1930,
erfreut die weibliche Gefolgschaft der Vergasungsanstalt
Hartheim bei Linz mit Hausmusik.
Bei Kriegsende setzt sich Renno nach Ludwigshafen ab,
übernimmt in der Nähe die Praxis eines Arztes, der sich noch in
Gefangenschaft befindet. „Nach Approbationsurkunde p. p. hat
man nicht gefragt“.
Als Dr. Reinig wird Dr. Renno bei der Schering AG als wissen-
schaftlicher Mitarbeiter eingestellt.
„Meine im Januar 1955 dann erfolgte Namensänderung von
Dr.Reinig in Dr.Renno habe ich meiner Arbeitgeberin mitgeteilt,
ohne das diese Anstoß genommen hätte“, sagte er später aus.

Für die Kühe und Schweine in Grafeneck ist Melkermeister
Willi Mentz zuständig. Er wird 3 Jahre später im KZ
Treblinka den Spitznamen „Schießer“ bekommen, weil das
tausendfache Erschießen von Juden seine Lieblingsbeschäftigung ist.
August Miete dagegen, der in Grafeneck in der Landwirtschaft
beginnt, danach in Hadamar zum „Leichenbrenner“ umgeschult
wird, nennen die polnischen Juden in Treblinka “Todesengel“.

Der Tagesablauf des Grafenecker Einkäufers Hans Heinz
Schütt – später auch in Hadamar und im KZ Sobibor
eingesetzt – macht deutlich, dass sich Geschäft und
Massenmord nicht ausschließen: wenn Schütt seine
Bestellungen aufgegeben hat, setzt er sich in die Wirtschaft
zum zweiten Frühstück. Danach holt er die bestellten Waren
ab und ißt in der Mordanstalt zu Mittag. So bieder er sich
gibt, er denkt ganz anders. Am 4.März 1940 schreibt er
seinem Stiefbruder -zur Konfirmation: „Wir gehen in ein
großes neues Deutschland mit Gottes Segen, aber ohne die
Gebete der Pfaffen. Man baut sich eben kein Haus mit
Gebeten, sondern durch Mut und wenn es sein muss durch
das Schwert. Ich selbst bin im Augenblick in einem
Sonderkommando, von dem vielleicht im großen Deutschland
100 Menschen wissen. Du kannst Dir sicherlich denken, dass
ich glücklich und stolz bin … in diesem Sonderkommando
mitarbeiten zu dürfen. Ich werde eines Tages hierüber zu
Euch sprechen können.“
Schütt empfindet auch nichts dabei, nach 1945 ,nachdem er
seinen „Einsatz“ in Grafeneck, Hadamar und Sobibor hinter
sich hatte, dem „Bund der Heimatvertriebenen und
Entrechteten/BHE“ beizutreten. 1963 hat er eine Vielzahl von
Ehrenämtern inne:
Kreistagsabgeordneter im niedersächsischen Soltau, Stadtrat
und Beigeordneter in Soltau, Kreisvorsitzender der
“Sowjetzonenflüchtlinge“, stellv. Kreisvorsitzender der .Bundes
der Vertriebenen, stellv. Vorsitzender des
‚Kreiskuratoriums“ Unteilbares Deutschland“, außerdem beim
Kreisheimatbund, beim Kreisschützenverband u. a.

In Grafeneck und anderswo hat es einen regelrechten
Vergasung-Tourismus gegeben:
Ärzte-und NS-Funktionäre reisen an, um eine
Vergasung zu besichtigen!

Dr.med. Otto Mauthe z.B., Sachbearbeiter für das Irrenwesen
aus Stuttgart, ein ehemaliger katholischer Zentrumsmann,
schaut sich persönlich die Ermordung eines Transportes
Frauen an. Obermedizinalrat Dr. Otto Gutekunst, Leiter der
Heilanstalt Winnenthal wird von Vergasungsarzt Baumhardt
förmlich eingeladen, Grafeneck zu besichtigen. Und
Gutekunst kommt. Ebenso kommen Medizinalrat Dr. Arthur
Schreck aus Wiesloch und Dr. Alfons Stegmann, Direktor der
Anstalt Zwiefalten, der zum „Bierabend“ geladen ist.
Dr. Martha Fauser, Nachfolgerin von Dr. Stegmann ,besichtigt die
Vergasung von 70 Frauen.
Sogar die Schreibkräfte der Mordanstalten, junge Frauen oft, begaffen das
„Schauspiel“ durch ein Guckloch in der Stahltüre.
In Grafeneck finden medizinische Tagungen statt, hospitieren
bis heute unbekannte Ärzte. Bekannt ist, dass mit
verschiedenen Tötungsmitteln  experimentiert wurde, z.B. mit
Zyankali. Von Dr. Aquilin Ullrich, Euthanasie-Arzt in der
Vergasungsanstalt Brandenburg, wissen wir, dass er im April
1940 an einer Tagung in Berlin teilgenommen hat, wo sich
Uni-Professoren beklagten, dass die Leichen einfach verbrannt
wurden. Sie sollten besser der medizinischen Forschung zur
Verfügung gestellt werden. Die Mörder folgen dem Hinweis
und errichten neben den Gaskammern Sektionsräume.
Das ganze Ausmaß der im Rahmen der ,Euthanasie“-Aktionen
durchgeführten Menschenversuche ist bis heute nur bruchstückhaft bekannt.

Doch damit nicht genug: es gibt zahlreiche ‚Mediziner, die
die als „lebensunwert“ Deklarierten vor der Tötung noch
qualvollen Experimenten unterwerfen. Das Ausmaß der im
Rahmen der „Euthanasie“ Aktionen unbeschreiblich brutalen
durchgeführten Menschenversuche ist bis heute nur
bruchstückhaft bekannt. Der Versuchung, ungehemmt und
ohne Rücksichten forschen zu können, sind mehr Mediziner
erlegen, als wir wissen.

Im August 1941 werden die Kranken-Vergasungen weitgehend
eingestellt. Von Galen, der Bischof von Münster, ist der erste
Kirchenführer der 18 Monate nach Beginn des Massenmords
die Krankentötungen öffentlich Mord nennt (nachdem bereits
70.000 Menschen umgebracht worden sind)
Der augenscheinliche Stopp dürfte vor allem darin begründet
sein, dass die Ermordung von Kranken, Alten und Behinderten
in der Bevölkerung auf wachsenden Widerstand stößt. Zudem
hat der Krieg gegen Sowjetrussland begonnen, der, das wird
gerne verdrängt, die systematische Ermordung russischer
Geisteskranker und  Behinderter -zur Folge hat.

Nun bereisen T4-Ärzte die Konzentrationslager, um Häftlinge
zu selektieren, die krank, politisch unerwünscht oder
jüdischer Abstammung sind. Die Opfer werden in den
Euthanasie-Anstalten Bernburg, Sonnenstein und Hartheim bei
Linz in die Gaskammern getrieben. Das bedeutet, die
Euthanasie-Zentrale nimmt den KZs die Tötung missliebiger
oder unbrauchbarer Häftlinge ab, bis die Lager die Tötungstechnik
später selbst übernehmen.
Im Nov.1941 findet eine Tagung in der Vergasungsanstalt
Sonnenstein/Pirna statt. Zweck des Treffens ist, die Tötungs-
technologie in den Dienst der Judenvernichtung zu stellen.
Ein erstes Kommando von etwa 30 Chemikern, Ärzten und
„Pflegern“ arbeitet seit dem Spätherbst 1941 am Ausbau des
Vernichtungslagers Belzec, es folgen 1942 Sobibor und
Treblinka, wo erster Lagerkommandant der nach 1945 in
Blaubeuren untergetauchte Dr. lrmfried Eberl wird.

Die KZ-Vernichtungslager sind eine Kopie der Euthanasie-
anstalten, wobei statt einer Gaskammer gleich
mehrere Gaskammern installiert werden. Mehr als 100 Eu-
thanasiegehilfen werden in die Vernichtungslager
geschickt.

T4-Personal baut die Gaskammern, organisiert die Tötungen.
T4 stellt auch die Lagerkommandanten. Der Judenmord
beginnt im März 1942 : Belzec (mind.900.000 Opfer) ,
Treblinka (mind.700.000), Sobibor (150.000 – 250.000).

Als im Herbst 1943 die Vernichtungslager aufgelöst werden,
wird das T4-Personal in den Raum Triest verlegt, um auch
diese Gegend „judenfrei“ zu machen. Was mit der
Ausmerzung von angeblich lebensunwerten Kranken, Alten
und Behinderten begann, endete mit der Judenvernichtung.

Nach dem August 1941 wird die Tötungsmethode an
den Kranken geändert: man lässt sie verhungern durch
eine spezielle „Hungerkost“ und durch Überdosierung von Medizin.

Doch auch die Krankentötungen waren nach dem Vergasungsstopp
vom August 1941 keineswegs gestoppt worden. Im Gegenteil,
es werden noch mehr Menschen gemordet. Nur die Tötungsmethode
wird geändert. Motto in Eglfing-Haar: „Wir geben ihnen kein Fett,
dann gehen sie von selber.“  Bis heute sind nicht einmal alle Anstalten
bekannt, in denen Patienten per „Hungerkost“ oder
Überdosierungen von Medikamenten beseitigt wurden.
Erst im Herbst 89 fand eine AG des psychiatrischen
Krankenhauses Gießen heraus, dass in der „Hessischen
Landes-Heil-u. Pflegeanstalt “ die Sterberate nach dem
Vergasungs-Stopp um über 500 % angestiegen war.

Ab 1942, verstärkt ab 1943 werden tausende von Patienten
im Zuge der Räumung von Anstalten in den luftgefährdeten
Gebieten“ in die neuen Mordanstalten abtransportiert. Die
Transporte gehen z.B. nach Hessen (Hadamar), Thüringen
(Pfafferode),Sachsen (Groß-Schweidnitz), Osterreich (Gugging,
Mauer-Öhling, Klagenfurt). Extrem viele Transporte gehen in
die besetzten Gebiete im Osten. Die schlimmsten bekannten
Beispiele : Siegenhof bei Gnesen und Meseritz – Obrawalde bei Posen.
Allein in Meseritz werden innerhalb von 3 Jahren 18.000
Menschen getötet. Sie verhungern, werden abgespritzt.
manchmal auch erschlagen oder erschossen. Etwa 250.000
Menschen werden insgesamt als „Unheilbare“ ermordet.

In allen Anstalten – gleich wo auch immer-wurde weiter gemordet,
bis die Alliierten vor der Tür standen.

Die vielleicht schlimmste Feststellung: In allen Anstalten
gleich wo auch immer – wurde weitergemordet, bis die
alliierten Truppen unmittelbar vor der Tür standen.
Die Euthanasie ist keine Erfindung der Nazis. Im Jahre 1920
erschien, eine nur 62-seitige Broschüre „Die Freigabe der
Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Die beiden Autoren
zählten zu den angesehenen Wissenschaftlern ihrer Zeit:
Alfred E. Hoche, ein Pfarrersohn, Professor der Psychiatrie an
der Universität in Freiburg und Karl Binding hatte 40 Jahre
lang in Leipzig Recht gelehrt. Es sind Gedanken, die andere
schon vor Ihnen propagiert hatten. Die Brandmarkung der
Opfer als Schädlinge, die die Wohlfahrt „brandschatzen“, wurde
von der öffentlichen, wie der privaten Fürsorge mitgetragen.
Auch in unserer Gesellschaft tauchen Wissenschaftler auf, die
Geisteskranken keine Menschenrechte zugestehen wollen.
Eine Gesellschaft, die nicht mehr fähig ist, Kranken, Alten,
Pflegebedürftigen ein menschenwürdiges Dasein zu
ermöglichen, könnte die Armen überzeugen wollen, ein
„schöner“ Tod sei einem schrecklichen Leben vorzuziehen.

Viele Mediziner setzten dem Mordprogramm keinen
Widerstand entgegen, sie selektierten und befanden,
welche Mordmethode die ‚humanste‘ sei.

Zahlreiche Medizinprofessoren und Anstaltsdirektoren hielten
die Mordmaschine in Gang. Sie selektierten und befanden,
welche Mordmethode die „humanste“ sei. Und es waren
die Lehrstuhlinhaber, die den Massenmord auch noch zu
Forschungszwecken nutzten.
Die lange Geschichte des Krankenmordes lehrt uns, dass
Psychiater, Juristen, Fürsorgepraktiker, Behinderten-Pädagogen
und Theologen schon viele Jahre vor den Nazis diskutiert
hatten, wer als „minderwertig“ und „lebensunwert“ zu gelten
habe und auszumerzen sei.
Niemand, der sich auch nur oberflächlich mit der Zeit des
Nazi-Regimes beschäftigt hat,  kann leugnen, dass
Wissenschaftler zu allem fähig sind. Angeblich sollten
damals Behinderte von ihren Leiden erlöst werden.
Sie haben jedoch nur unter den Menschen gelitten, die
Ihnen das Existenzrecht absprachen. Die “Erlöser“ sind es,
die den Anblick und Umgang mit Behinderten nicht ertragen.
Der größere Teil der Verantwortlichen konnte sich in der
Bundesrepublik Deutschland einer weiteren Laufbahn erfreuen
und machte Karriere. Auf die Pension wurde die Zeit
zwischen 1939 und 1945 selbstverständlich angerechnet
Ein kleinerer Teil zog vor, die ärztliche Karriere im
Ausland fortzusetzen. Die Ideologen und Schreibtischtäter
reihten sich nahtlos in die deutsche Hochschullandschaft und
den Beamtenapparat ein.
In der DDR wurde in der antifaschistischen Alltagspraxis
die Geschichte der Medizinverbrechen nach den Dresdner
Ärzteprozessen 1947 weitgehend ausgeblendet.
Heute bleibt nur noch der Auftrag, das kaum Erträgliche
fassbar zu machen um der jungen Generation und der
Generation der Vergesslichen an den schon existierenden
Gedenkstätten, Ausstellungsorten und Denkmälern zu zeigen,
wohin Rassismus, Ausgrenzung und Sozialdarwinismus schon
einmal geführt haben.

 

Sämtliche Informationen und Fakten hat Rainer Thiemann von Ernst Klee (mehrere Bücher über Euthanasie im NS-Staat),  Willi  Dreßen, 1996-2000 Leiter der Ludwigsburger zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, und Michael Grabher, „ Irmfried Eberl , Euthanasie –Arzt und Kommandant von Treblinka“, sowie verschiedenen neuen Dissertationen übernommen.