Zukunftsweisend für behinderte Kinder- und Jugendliche in Berlin

Institut für Soziale Gesundheit veröffentlicht Bericht zur Versorgungssituation

von: Berliner Behindertenzeitung

xProf. Karlheinz Ortmann vom Institut für Soziale Gesundheit der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) hat den Bericht »Beschreibung und Bewertung der Versorgungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen in Berlin (VERSUKI) veröffentlicht.
Die Referenten beim Paritätischen Berlin für Behindertenhilfe (Reinald Purmann) und Jugendhilfe (Andreas Schulz) erachten den Bericht als notwendig für eine zukunftsweisende Sozialpolitik im Sinne von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung. Die rechtskreisbezogene Abgrenzung der Unterstützungsangebote in Eingliederungshilfe für geistige und körperliche Behinderte im SGB XII und Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte im SGB VIII wird den Interessen der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Sorge- berechtigten nicht gerecht. Auch den Trägern, die Leistungen in diesen Bereichen anbieten, sind immer wieder Steine in den Weg gelegt, wenn sie sich um eine optimalen Versorgung und Umsetzung der Hilfeleistungen durch die unterschiedlichen rechtlichen und strukturellen Grundlagen bemühen.

 

 
Auszüge aus dem Bericht

»Der vorliegende Forschungsbericht beschreibt und analysiert vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Inanspruchnahme von Eingliederungshilfen nach SGB VIII und SGB XII die Besonderheiten und Herausforderungen der Eingliederungshilfen für das Land Berlin. Das Ziel des Forschungsprojekts war die Darstellung des Ist-Standes der Eingliederungshilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung im Rahmen des SGB XII und SGB VIII in Berlin und insbesondere in den drei Bezirken Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Lichtenberg. So sollten leistungsrechtliche und leistungserbringungsrechtliche Rahmenbedingungen der Versorgungs- und Unterstützungsangebote für Kinder (Altersgruppe 6 bis 13) mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen in Berlin und besondere Bedarfe für spezielle Zielgruppen valide beschrieben und analysiert werden. (…)

Die Beschreibung und Analyse wurde im Laufe des Forschungsprozesses aufgrund der Datenlage auf die Altersgruppe der 0- bis 18-Jährigen erweitert.
(…) Die Datenlage zur Eingliederungshilfe nach §§ 54-60 SGB XII ist auf Landes- und noch mal mehr auf der Bezirksebene als unzureichend einzuschätzen, so dass nur wenige Aussagen über die Versorgungslage von Kindern und Jugendlichen mit geistigen und körperlichen Behinderungen getroffen werden können. (…) Als eine Altersgruppe, die einen auffallend hohen Anteil an Eingliederungshilfe nach SGB XII bei den 0-bis 18- Jährigen hat, ist die Gruppe im schulpflichtigen Alter allgemein und insbesondere die Gruppe der 11- bis 15-Jährigen zu benennen. (…) Für das Jahr 2009 ist ein deutlicher Rückgang an Eingliederungshilfe nach SGB XII zu verzeichnen, der wahrscheinlich im Zusammenhang mit einer damaligen Umstellung der Honorierung von Einzelfallhelferinnen und -helfern steht. Dies zeigt, dass die Kontinuität des Einsatzes von Eingliederungshilfe nicht gegeben ist und somit unmittelbar zu Lasten der Kin- der und Jugendlichen mit Behinderung gehen kann.
Für das Land Berlin können (…) für die Eingliederungshilfe nach SGB VIII folgende Aussagen getroffen werden: Die quantitative Datenlage zur Eingliederungshilfe nach SGB VIII ist weitaus umfassender als zur Eingliederungshilfe nach SGB XII. (…) Auffallend ist der hohe Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in dieser Hilfe- form im Land Berlin. Neben diesem Indikator für soziale und gesundheitliche Ungleichheit spielt ebenso das niedrige Einkommen (Transferleistungen und soziale Situation) in der Eingliederungshilfe nach SGB VIII im Land Berlin eine bedeutende Rolle. (…)
Die Zugangswege und Zuständigkeiten für Eingliederungshilfen nach SGB XII und SGB VIII sind in den drei Studienbezirken uneinheitlich. Leistungen der Eingliederungshilfen sind somit für Hilfesuchende schwer zu erschließen. (…)
Auf der Basis der Datenanalyse lassen sich folgende Herausforderungen für die Verbesserung der Versorgungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen in Berlin festhalten:

 

  • Zugangswege verbessern

Um zu vermeiden, dass Hilfesuchende an den hohen Zugangshürden scheitern, sollte ein einheitliches niedrigschwelliges Eingangsmanagement entwickelt und umgesetzt werden.

 

  • Soziale Benachteiligung in den Blick nehmen

Eine hohe Zahl von den Empfängerinnen und Empfängern stammt aus Elternhäusern, die von sozialer Benachteiligung betroffen beziehungsweise bedroht sind. Die aufgrund von Behinderung bereits bestehende oder drohende Exklusion kann durch soziale Benachteiligung verstärkt werden. Dies muss bei der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfen berücksichtigt werden.
Altersgruppenspezifische Leistungen entwickeln
Es zeigen sich altersgruppenbezogene Unterschiede in der Inanspruchnahme von Leistungen zu den Eingliederungshilfen. Diese soll- ten zum Anlass genommen werden, das Leistungsgeschehen altersgruppenbezogen zu beobachten und Versorgungs- und Unterstützungsleistungen altersgruppenspezifisch zu entwickeln.

  • Honorierung einheitlich regeln

Die Fachleistungsstundensätze für die Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sind in Berlin im Berliner Rahmenvertrag für Hilfen in Einrichtungen und durch Dienste der Kinder- und Jugendhilfe geregelt. Eine derartige Regelung für die Eingliederungshilfe nach SGB XII gibt es nicht. Hier muss eine Vereinheitlichung erfolgen.

 

  • Datenlage verbessern

Im Land Berlin sollten mehr Daten zu den Eingliederungshilfen nach SGB XII und SGB VIII für Berlin insgesamt und für die Bezirke erhoben werden, um passgenaue Unterstützungs- und Versorgungsangebote vorhalten zu können. Diese Daten sollten auch eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Leistungsangeboten zulassen.

 

  • Forschung intensivieren

Hier ist insbesondere die Ermittlung von Bedarfen sowie die Beschreibung und Bewertung der Versorgungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderung aus der Sicht der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie Ihrer Eltern und Familien zu nennen.«
Der Paritätische Berlin wünscht sich, dass die Analyse der Forschergruppe den fachpolitischen Diskurs in der Jugend- und Eingliederungshilfe durch Fakten befruchtet. In Kürze werden die beiden oben genannten Referate den VERSUKI-Bericht mit einer gesonderten Veröffentlichung würdigen und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziale Gesundheit am Freitag, den 20. März 2015 auf einer Fachveranstaltung an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin von 10-12 Uhr wesentliche Inhalte des Berichts und politische Handlungsnotwendigkeiten präsentieren. Bitte merken Sie sich den Termin vor, eine offizielle Einladung folgt.

Quelle: Paritätischer Rundbrief Januar/Februar 2015.

 
Information
Laden Sie den vollständigen Bericht hier herunter: khsb-berlin.de/forschung/institute/isg/projekte/