Die Care Leaver: Es sind offenbar circa 150.000 Kinder und Jugendliche, die hierzulande in Heimen, Pflegefamilien oder betreuten Wohngruppen aufwachsen. Während andere junge Menschen meistens erst mit Mitte 20 das Elternhaus verlassen, müssen diejenigen, die aus der stationären Jugendhilfe kommen, die so genannten Care Leaver (Menschen, die den Betreuungsstatus verlassen), oft schon mit 18 Jahren und oft auch ziemlich abrupt auf eigenen Beinen stehen, ungeachtet der im bisherigen Leben, in der Schule oder in einem Beruf erworbenen Voraussetzungen.
Mit dem Titel „Care Leaver – der schwierige Wg in die Selbstständigkeit“ war am 27.03.2014 im Deutschlandfunk eine von Frau Dörte Hinrichs verfasste Sendung dazu zu hören.
Ein Forschungsprojekt an der Universität Hildesheim
An der Universität Hildesheim gibt es schon länger zu den damit verbundenen Fragen ein Forschungsprojekt: „Care Leaver – Übergänge aus stationären Erziehungshilfen in ein selbstständiges Leben“ lautet der Name dieses Projektes, das offenbar vor allem der Frage nachgeht, wie junge Menschen dazu befähigt werden können, in einer eigenen Wohnung selbstständig klar zu kommen.. Im Mittelpunkt dieses Forschungsprojektes stand und steht offenbar eben der ‹bergang in ein selbständiges Leben, die Frage nach den ‹bergangsbedingungen, wie er begleitet werden kann, welche Modelle es dafür und welche kritischen Punkte es dabei gibt.
Gesammelt und erhoben werden konnten bislang wohl positive Beispiele aus der Praxis, aber auch strukturelle Probleme im Hilfesystem und kritische Hürden, häufige Stolpersteine: „Wo soll ich wohnen, wie die Miete bezahlen? Soll ich weiter zur Schule gehen oder lieber in eine Ausbildung? Gibt es finanzielle Hilfen?, sind nur einzelne der Fragen, die sich für die Betroffenen immer wieder drängend stellen. In dieser Lebenssituation unterstützende Eltern sind meist für diese Jugendlichen nicht erreichbar, und auch die Rückkehr in eine Wohngruppe der Jugendhilfe wird ihnen in der Regel verwehrt.

Benjamin Strahl und Katharina Mangold führen biografische Interviews: Wie verlief der Weg an die Uni? Gemeinsam mit betroffenen Care Leavern bauen die Sozialpädagogen der Uni Hildesheim ein bundesweites Netzwerk auf. Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim.
Diesbezüglich gesammelte Erfahrungen
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Forschungsprojekts an der Universität Hildesheim haben gemeinsam mit der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen in Frankfurt dazu Experten befragt, also Anbieter von Wohngruppen, Fachkräfte aus Erziehungseinrichtungen, von Kinderdorffamilien, Pflegekinderdiensten und Vormünder. Als „ein gutes Beispiel“ wurde festgestellt, dass es Einrichtungen gibt, die jungen Erwachsenen die Möglichkeit bieten, bereits in einer eigenen Wohnung zu leben, dies aber wie bei einer stationären Unterbringung mit einem hohen Betreuungsumfang begleiten. In solchen Einrichtungen können Jugendliche, so deren Auskunft, mit dem Wissen um einen Rückhalt Erfahrungen mit der Selbstständigkeit sammeln, mit dem Selbst-Einkaufen, mit der Pflege der eigenen Wohnung und anderem, wissend, „(…) wenn alles ganz schief geht, kann ich auch noch wieder in die Wohngruppe einziehen und mir mehr Unterstüzung abholen, als ich vielleicht jetzt im Moment gerade brauche.“ Besonderen Anklang fand hier offenbar eben diese Durchlässigkeit der Hilfearten und Hilfeintensitäten dabei.
Interessant auch die diesbezüglich in anderen Ländern gesammlten Erfahrungen:: So haben in Kanada offenbar auf hoher politischer Ebene Anhörungen stattgefunden zu der Frage, wie es Care Leavern in Kanda ergeht, Anhörungen, zu denen viele ehemalige Care Leaver eingeladen waren, dies vor hohen politischen Vertretern darzustellen. Interessant auch das Beispiel einer Einrichtung in Süddeutschland, die vor zehn Jahren einen Ehemaligenrat eingerichtet hat, der sich zweimal im Jahr trifft. Die Einrichtung dort sieht in diesem Ehemaligenrat „eine starke pädagogische Expertise“, lässt sich von diesem beraten, mitteilen, wie diese als Betroffene neue pädagogische Konzepte und neue Ideen einschätzen.
Im Rahmen des oben genanten Forschungsprojektes wurden offenbar auch Care Leaver, die den Sprung an die Hochschule geschafft haben, darauf befragt, welchen Stellenwert die Bildungskarriere für die Aufarbeitung der lebensgeschichtilichen Erfahrung insgesamt hat.
Das Care Leaver Netzwerk Deutschland
Diskutiert wird auch dies immer wieder im 2012 gegründeten Care Leaver Netzwerk Deutschland. Die hier Organisierten treffen sich regelmäflig, das nächste Mal vom 4. bis zum 6. Juli 2014 in Kassel. In diesem Rahmen wollen sie längerfristig daran arbeiten, dass Care Leaver mehr im öffentlichen Bewusstsein präsent sind und dass es auch Strukturen und Hilfen gibt, an die sich Care Leaver wenden können. Anfang Juli in Kassel soll es um die Gründung des Careleaver e. V., dessen Satzung und die Beitragsordnung gehen. Aktuelle Informationen dazu sind auf der Internetseite des Netzwerks zu finden: www2.careleaver.de